2014_transsib_gesamt
Pfingsmontag, 09.06.2014 – Von Schwäbisch Hall nach Hamburg
Um günstig nach Hamburg zu kommen bietet sic h auch die neue Reisemöglichkeit mit Fernbussen an. MeinFernbus.de fährt ab Stuttgart-Zuffenhausen über Würzburg bis Hamburg in 9 Stunden für 36 Euro. Heißt für mich frühmorgens mit der Bahn nach Stuttgart. Die hat natürlich wegen Signalproblemen gleich mal 10 Minuten Verspätung. Auch mit dem Deutschland Ticket der Bahn kann man für 44 Euro nach Hamburg kommen, sind aber 12 Stunden Fahrt und man muss sage und schreibe 6 Mal umsteigen!. Das hätte schon mit dem ersten Umsteigen heute nicht funktioniert.
In Zuffenhausen am ZOB wartet auch schon Mein Fernbus, leuchtend grün lackiert. Zielstrebig laufe ich drauf zu. Noch nicht richtig angekommen geht das Fenster auf und der Fahrer bäfft heraus: “Dort drüben isch Abfahrt, … dort drüben!” und zeigt unmissverständlich zum Bahnsteig 6. Danke für’s Gespräch denke ich, so genau wollte ich’s dann auch nicht wissen. Der Bus selbst ist ziemlich lang und nur etwa zur Hälfte voll. Modern ausgestattet mit viel Beinfreiheit und bietet sogar WLAN an Bord – toll!! Ausserdem bekommt man für 1,50 Euro Getränke, auch Bier. Und Snacks werden ebenfalls angeboten.
Der Fahrer Kurt Keller ist doch freundlicher als es zuerst den Anschein hatte. Überpünktlich 5 vor 9 Uhr fährt er los. Stops mit Aus- und Zustieg legt er ein in Würzburg, Kassel, Göttingen und Hannover. Ähnlich dem Intercity Express der Bahn. Die Fahrgäste sind fast ausnahmslos jüngere Leute, vermutlich viele Studenten. Nachdem der Bus jetzt doch voll ist geht das WLAN auch in die Knie. Bei so vielen gleichzeitig betriebenen Smartphones kein Wunder. Die geplante Ankunftszeit um 17:55 Uhr in Hamburg am ZOB gleich neben dem Hauptbahnhof verpassen wir nur um 2 Minuten. Das schafft nicht mal die Bahn. Alles in Allem bin ich positiv überrascht vom Fernbus.
In Hamburg bietet sich für mich der Besuch der Verwandtschaft an die mir auch dankenswerterweise Asyl für die Nacht gewähren.
Dienstag, 10.06.2014 – Von Hamburg nach Kiel auf die Fähre
Schon um 7:45 Uhr fährt mein nächster Fernbus vom ZOB am Hauptbahnhof nach Kiel ab. Diesmal fahre ich für unschlagbare 6 Euro mit berlinlinienbus.de . Die gehören zur Deutschen Bahn. Ausser mir sitzen nur 5 junge Spanier im Bus. Die Zeit im Bus verbringe ich wie gestern mit russisch lernen. Aber irgendwie ist noch nicht sehr viel von der Sprache hängengeblieben. In Kiel angekommen nehme ich die Buslinie 11 und fahre zum Ostuferhafen, genauer gesagt zum Fährterminal von DFDS Seaways, der Reederei die mich nach Klaipeda in Litauen bringen soll. Klaipeda war vor dem 2. Weltkrieg noch deutsch und hieß Memel. Das Ticket für die Fahrt habe ich schon vor Wochen im Internet gebucht. Vor dem Einchecken decke ich mich noch mit Lebensmittel vom Discounter um die Ecke ein. Habe keine Ahnung ob, wann und was es zu beißen gibt auch dem Kahn. Und die Fahrt dauert bis morgen Nachmittag um 14 Uhr. Beim Warten am Gate treffe ich auf ein älteres Brüderpaar aus Hamburg. Die wollen auch mit der Autofähre nach Klaipeda in ihre frühere Heimat, haben also denselben Weg. Interessanterweise handelt es sich um zwei Überlebende des Flüchtlingsschiffes Wilhelm Gustlov, das Ende des 2. Weltkrieges von den Russen torpediert wurde und schnell sank. Bei dieser größten Schiffskatastrophe aller Zeiten gab es mehr als 9000 Tote und nur etwa 900 Überlebende. Auf dem Oberdeck der Fähre treffe ich später die beiden wieder. Der eine ist sehr gesprächig, war früher bei der Marine und hat mir so ziemlich alles über die See, die Schifffahrt und die Gegend hier erzählt. Einen besseren Touristenführer hätte ich nicht treffen können.
Kurz vor 16 Uhr läuft die Athena Seaways dann aus. Der Kahn ist über 100 Meter lang und mindestens 30 Meter breit. Vier Decks sind nur führ Fahrzeuge da. Der Kahn fährt mit 21 Knoten (39 km/h), braucht also für die knapp 800 km nach Klaipeda 22 Stunden. Schlafkabine habe ich nicht gebucht, das war mir mit 150 Euro dann doch zu teuer. Für die Hälfte des Geldes bekommt man dann einen “Pullmannsitz”. Das sind bequeme Sitze, vergleichbar mit denen in einem Flugzeug. Hier an Bord gehen die Uhren anders, sprich die Zeit muss gleich eine Stunde vorgestellt werden.
Nach Ablegen fährt man zuerst die Kieler Förde hoch, vorbei an zahlreichen Strandbädern und Luxusvillas. Rechts liegen lässt man auch das U-Boot Mahnmal des Krieges und das Marinedenkmal (hat mir mein einheimischer Tourist-Guide gezeigt). Später passiert man in Höhe der Insel Fehmarn Windparks mit hunderten von Windrädern. Links liegen lässt man die dänischen Inseln.
Am Abend treffe ich in der Lounge meine beiden “Überlebenden” wieder. Bei zwei Bier erzählen die mir viele interessante Seemanns- und Marinegeschichten von früher. An den Untergang der Wilhelm Gustlov konnten die sich nur noch vage erinnern da sie noch sehr klein waren. Der ältere wusste noch, dass nach dem Untergang dann plötzlich eine Totenstille herrschte.
Da der grosse Saal mit den Pullmannsitzen nur spärlich belegt ist kann ich mich breit machen und gleich 4 der Sitze als Liegefläche benutzen. Auch die Gruppe junger Litauer schlafen schon – kein Wunder was die so alles an Schnaps weggebechert haben. Die halbvollen Gläser stehen noch auf dem Boden. Bezahlen kann man hier an Bord noch mit Euro. Der freundliche Herr an der Rezeption tauscht mir aber 50 Euro in Litas um. Nächstes Jahr zum 01.01. werden die Litauer dann auch den Euro bekommen.
Mittwoch, 11.06.2014 – Von Klaipeda nach Vilnius
Auch heute haben wir wie gestern tolles Wetter auf See. Nur der kühle Wind ist etwas lästig. Mit Annäherug an die kurische Nehrung kommt jedoch Nebel auf. Die kurische Nehrung ist die schmale etwa 100 km lange Landzuge (Sanddüne) von der russischen Enklave bis hinauf nach Klaipeda in Litauen. Hier oben ist sie offen zur Ostsee. Nach der Einfahrt sind es etwa noch 20 km und wir erreichen den Hafen. Fast pünktlich auf die Minute legen wir an. Ich sage Tschüss zu meinen Hamburgern, schnappe mir gleich ein Taxi, handle den Preis auf 10 Euro herunter und lasse mich zum Bushbahnhof in die Stadt fahren. Ne halbe Stunde später sitze ich auch schon im Bus nach Vilnius, der Hauptstadt Litauens’. Die ist gut 4 Stunden Autobahnfart entfernt. Neben mir sitzt eine junge Litauerin. Die spricht hervoragend englisch und so komme ich gleich ins Gespräch. Ich gehe mit ihr den Reiseführer rauf und runter und lasse mir alles sehenswertes bis ins Detail über Vilnius erklären. Habe also schon wieder Glück mit Ortskundigen. Vom Busbahnhof zum “Jimmy Jumps Hostel” in der Altstadt habe ich mich jedoch verfranzt. Hat ne halbe Stunde und ne Menge Fragerei gedauert bis ich das gefunden habe. Ausserdem hat das Hostel nicht mal ein Schild an der Tür. Aber was heißt da Tür. Der Eingang ist in ein grosses Holztor reingesägt und nicht mal so hoch dass ich ohne Bücken reinlaufen kann. Aber die Zimmer sind sauber und die sanitären Anlagen sind es auch. Der Name Jimmy Jumps kommt angeblichh von einer Figur in einem Film hat man mir gesagt.
Donnerstag, 12.06.2014 – Vilnius
Das Frühstück ist im Jimmy Jumps inbegriffen. Die Mädels von der Rezeption backen Waffeln. Dazu gibt es Marmelade und Tee oder Kaffee. Zunächst mache ich mich auf zum Gediminas Tower, einer Ruine auf einem Hügel nördliche der Altstadt. Von dort hat man einen tollen Überblick über die mittelalterliche Altstadt. Hier gibt es über 50 Kirchen und Kathedralen was der Stadt auch den Namen “Rom des Ostens” verliehen hat. Ich bin zwar kein Kirchenfan, aber die kostenlose Stadtbegehung um 12 Uhr Mittags an der City Hall lasse ich nicht aus. Glücklicherweise ist die Stadtführerin, eine junge sehr hübsche Litauerin, auch kein Kirchenfan. Und so zeigt sie uns etwa 20 Interessierten die verborgenen Plätze der Stadt. Von den vielen interessanten Geschichten konnte ich mir nur eine merken: Da die Altstadt sehr eng ist und es wenig Parkmöglichkeiten gibt kam es immer wieder verstärkt zu Falschparken was den Verkehr in der Innenstadt zum Erliegen brachte. Alle Aufrufe und Bußgelder halfen nicht viel. Da hat sich der Bürgermeister mal kurzerhand einen Panzer ausgeliehen und einige der falsch geparkten Fahrzeuge platt gefahren. Diese Aktion hat sich herumgesprochen und seither gibt es wesentlich weniger Falschparker hier. Den Stadtrundgang lassen wir dann in einer urigen Kneipe mit litauischem Bier und einheimischen Spezialitäten ausklingen. Da heute Abend das Eröffnungsspiel der Fussball Weltmeisterschaft in Brasilien ist, schieße ich mich einer Gruppe junger Leute des Hostels an. Die haben einen Tisch in einer riesigen Sportsbar im Zentrum der Stadt reserviert. Leider haben die Kroaten wegen einer krassen Fehlentscheidung des Schiris das Spiel mit 1:3 gegen Brasilien verloren.
Freitag, 13.06.2014 – Von Vilnius nach Riga
Das war’s dann auch schon mit Litauen. Ausgenommen Klaipeda, Vilnius und die Autobahn habe ich nicht viel gesehen voom Land – lohnt sich aber bestimmt mal wieder hierherzukommen. Nach dem Waffelfrühstück (wie gestern) verabschiede ich mich noch von meinem “Bettnachbarn” Jose, einem US-Filipino bevor ich zum Busbahnhof aufbreche. Jose ist schon ein harter Typ. Er läuft Marathon und steht jeden Morgen um fünf Uhr früh auf und geht eine Stunde laufen. Anschließend haut er sich wieder in die Falle und schläft nochmal 2 Stunden – und das im Urlaub! Das Wetter ist wie gestern bewölkt und leicht regnerisch bei 20 Grad. Weiß nicht, ob es in diesem Land auch eine Sonne gibt. Den Ecolinebus um 12 hätte ich auch fast verpasst denn ich bin wieder mal falsch gelaufen. Ähnlich wie im Euroline vorgestern gibt’s Wifi an Bord das auch tatsächlich zu funktionieren scheint. Ecoline bietet ein weites Busnetz in Mittel- und Osteura an. Von London bis Moskau, von Kopenhagen bis Sofia ist zu günstigen Preisen alles im Programm. Und wieder versuche ich mich im Bus der russischen Sprache zu nähern. Heute steht Lektion 3 auf dem Program: Sprichst du russisch? – “Ti gawarisch pa-ruskje?”. Die Antwort lautet natürlich: “Njet ja nij gawariu pa-ruskje!” – Nein, ich spreche kein russisch! Gebe mir aber wenigsten Mühe ein bisschen davon zu behalten. <br>
Die Fahrt nach Riga dauert nur vier Stunden. Glücklicherweise ist der Busbahnhof auch nur 5-10 Gehminuten von meinem zuvor reserviertem Hostel, dem “Naugty Squirrel” (ungezogenes Eichhörnchen) entfernt. Hier scheint ganz schön was los zu sein. Noch nicht richtig angekommen muss ich schon nen Begrüssungsschnaps zu mir nehmen. Gleich neben der Rezeption ist auch ein Tresen mit Fassbier – wie praktisch. Die bieten hier auch einiges an, unter anderem das allabendliche “Pub Crawl” – Kneipenkrabbeln. Man trifft sich abends um 10 vor dem Tresen, trinkt ein oder zwei Bier, evtl. ein paar Liköre und dann geht es auf Kneipentour. Beste Gelegenheit ein paar Leute kennenzulernen. Ausserdem kann man in den Kneipen nebenher Fussball-WM schauen. Zur sehr späten Stunde nach dem dritten Pub habe ich mich verabschiedet und die vierte und letzte Station ausgelassen.
Samstag, 14.06.2014 – Riga
Obwohl gestern Nacht sehr spät ins Bett gekommen werde ich gegen 7:30 Uhr das erste Mal wach. Grund ist das laute Gegröle auf der Strasse unten. Ich wundere mich zunächst was da los sein könnte bis mir klar wird, dass die immer noch auf Tour sind von gestern Nacht! Zum Glück habe ich den Absprung noch rechtzeitig geschafft. Ansonsten wäre der Tag heute ebenso kaputt gewesen wie die Jungs da unten es sind. Jetzt wird mir auch klar warum das Pub Crawl heißt, denn ich kann mir gut vorstellen dass es die Letzten nur auf allen Vieren nach Hause schaffen. Frühstück gibt’s im “ungezogenen Eichhörnchen” nicht aber Tee und Kaffee sind umsonst und ein Einkaufszentrum mit Bäckerei ist gleich um die Ecke – wie praktisch. Und die Letten haben seit diesem Jahr auch den Euro was ein lästiges Geldwechseln erspart. Trotz des kleinen Hangovers schaffe ich es bis um 11 Uhr am Eingang der St. Peter’s Kathedrale in der Altstadt zu sein. Dort beginnt die Gratistouristenführung. Von den vielen Stories des einheimische Touristenführers Tom bleiben aufgrund meiner Müdigkeit bei mir nur wenige hängen. Aber immerhin hat Riga ne tolle Altstadt (nicht nur Kneipen) und ist auch deutsch geprägt. Die Partnerstadt ist Bremen was den Letten auch die Bremer Stadtmusikanten beschert hat. An der Stadtführung teil nimmt auch der Stuttgarter “Horex”. Es stellt sich heraus, dass wir beide mal denselben Arbeitgeber hatten, nämlich Bosch in Murrhardt. Wenn auch zu verschiedenen Zeiten.
Ein weiterer Tipp der Mädels vom Hostel ist das Speiselokal “Lido” etwas ausserhalb der Altstadt. Das hat den Charakter einer Kantine oder Autobahnraststätte. Mit dem Unterschied dass es riesige Portionen zu sehr kleinen Preisen gibt. Für 4-8 Euro kann man sich den Bauch vollschlagen. Und gut schmecken tut’s auch obendrein. Ich habe Horex im Schlepptau denn der ist auch hungrig. Den Rest des Nachmittags treiben wir uns auf dem Markt hinter dem Bahnhof herum. Da gibt’s immer was zu sehen. Apropos sehen: Will man ne gute Aussicht auf die Stadt geniessen kann man für 4 Euro auf das Gebäude der “Wissenschaft und Künste” mit dem Fahrstuhl rauf. Das ist ein älteres Bauwerk aus Soviet-Zeiten und ähnelt ein wenig dem Empire State Building in New York.
In die Liste zum Kneipen-Krabbeln habe ich mich heute nicht eingetragen. Mir reicht’s echt noch von gestern. Ausserdem fährt mein Bus nach Tallin schon morgen früh um 9:15 Uhr ab. Die späteren waren leider schon ausgebucht. Und so lasse ich den Abend mit Horex und Dominik, einem weiteren Deutschen aus meiner Unterkunft in der Kneipe um die Ecke gemütlich ausklingen.
Sonntag, 15.06.2014 – Von Riga nach Tallin
Einen Wecker zu stellen lohnt sich nun wirklich nicht, wird man ja pünktlich um 7:30 Uhr von dem Gegröle und Gejaule der letzten Krabbler geweckt. Auch diesmal fahre ich mit dem Ecoline Bus denn der hat sich schon vorgestern bewährt. Die 4,5 Stunden Busfahrt kostet grade mal 16,50 Euro. Tallin macht von Anfang an einen sympathischen Eindruck. Nicht zuletzt deshalb weil das Wetter heute mitspielt. Bei 22 Grad lacht die Sonne vom stahlblauen Himmel herunter. Auch meine Unterkunft, den Tallin Backpacker habe ich schnell gefunden. Mit der Tram kommt man vom Busbahnhof in die Innenstadt und von dort sind es nur noch 10 Gehminuten. Das Dorm mit 8 Betten ist nicht übermässig gross, das Bad dagegen schon. Da kann man sich drin verlaufen, und ne Sauna ist auch drin.
Da heute wirklich tolles Wetter ist mache ich mich gleich auf um die wirklich sehenswerte Innenstadt mal zu Fuss abzulaufen. Heute ist Sonntag da strömen die Touries in Massen in die Stadt, komme mir vor wie auf dem Volksfest. Für ein paar Euro kann man auf den Turm des “Town Hall Square” rauf. Sind 120 steile Wendeltreppenstufen. Der Aufstieg lohnt sich jedoch. Von hier aus kann man die ganze Innenstadt überschauen und bis zum Hafen und auf das Meer runtersehen. Die 1000 Jahre Altstadt ist von gut erhaltenen Wehrtürmen und Stadtmauern umgeben. Erinnert etwas an Dinkelsbühl, nahe meiner Heimat. Nur grösser und besser erhalten.
Montag, 16.06.2014 – Tallin
Um meine müden Knochen wieder in Schwung zu bekommen werde ich mich heute mal sportlich betätihgen. Also Turnschuhe an und loslaufen am Ostseestrand zum 4 km entfernten Badeort Pirita. Schöner Sandstrand der eigentlich zum Baden einlädt wenn nicht das Wasser noch so eiskalt wäre. 12 Grad sind mir dann doch zu wenig. Immerhin bin ich bis zu den Knöcheln im Wasser gestanden, für ein Fussbad hat’s gereicht.
Nachmittags um 14:15 Uhr wird wie in Riga und Vilnius eine kostenlose Stadtführung angeboten. Die nehm ich natürlich mit. Über die Vergangenheit von Tallin will ich nicht viel erwähnen. Lediglich dass die Esten eigentlich keine eigene Kultur haben. Tallin wurde weitestgehend von Deutschen erbaut. Weiteren Einfluss auf die Kultur nahmen die Russen, Schweden und Dänen. Die estnische Sprache ähnelt der finnischen und erstaunlicherweise der ungarischen, ist also gänzlich verschieden der lettischen und litauischen.
Am Abend treffe ich mich mit Horex den ich aus Riga kenne. Wir suchen uns ein gemütliches Pub um Fussball WM zu kucken – denn heute spielt Deutschland gegen Portugal und gewinnt 4:0. Glücklicherweise habe ich das DFB-Trikot von Thomas Müller an. Denn der hat gleich 3 der 4 Tore geschossen. Anschließend wird das noch in “The Monks Bunk”, dem Partnerbackpacker meiner Unterkunft ausgiebig gefeiert. Da macht es auch nichts aus wenn man mitten in der Nacht heimkommt. Denn wirklich Nacht wird es um diese Jahreszeit hier nicht. Morgens um 2 Uhr sieht man zwar die Sonne nicht mehr, deren hellen Schein am Horizont jedoch schon.
Dienstag, 17.06.2014 – Tallin
Heute ist hauptsächlich Ruhetag angesagt. Den Rest des Vormittag verbringe ich mit weiterer Reiseplanung. Mittag gegessen wird im “Kompressor”, einem Budget Restaurant das alle Sorten von Pfannkuchen anbietet. Die sind so gross dass man eigentlich nicht damit fertig wird. Und kosten auch nur knapp 5 Euro. Habe den mit Shrimps getestet. Und anschließend mich wieder mal (fast) vergeblich an der russischen Sprache versucht.
Um den heutigen Tag nicht gänzlich zu verschwenden laufe ich am Nachmittag ans Meer runter zum “Patarei” Gebäudekomplex. Das hatte Zar Alexander I. 1828 als For errichten lassen und diente ab 1920 unter den Soviets als Gefängnis – bis 2004. Kann man für 3 Euro besichtigen und ist echt sehenswert. Hier hätte ich nicht sitzen wollen.
Abends treffen sich die Backpacker hier in der Regel im “Monks Bunk”, etwas ausserhalb der Altstadt. Da beschweren sich die Nachbarn nicht wenn’s mal etwas lauter wird. Hab dort eine Engländerin getroffen die grade von Richtung Peking mit der Transsib hier angekommen ist. Die hat mir noch ein paar nützliche Hinweise mit auf den Weg gegeben. Überhaupt gibt es hier viele die schon mal in Russland waren und so einige Geschichten auf Lager haben.
Mittwoch, 18.06.2014 – Noch ein Tag in Tallin
Wollte eigentlich ursprünglich heute nach Helsinki rüber und dort 2 Tage verbringen. Die Leute hier meinten jedoch dass 1 Tag vollkommen ausreicht um die Stadt zu sehen. Ausserdem ist dort alles sau-teuer, nicht nur das Bier das man am Besten von hier mit rübernimmt. Also verlängere ich meinen Aufenthalt hier um einen Tag. Muss jedoch ins Partner-Backpacker Monks Bunk umziehen da mein Bett für heute Nacht schon reserviert ist. Viel steht heute nicht auf dem Programm. Am Vormittag mach ich mich auf den Weg zum Busbahnhof um mir ein Ticket von Helsinki nach St. Petersburg zu besorgen, denn das hat über’s Internet nicht geklappt. Nachmittag schaue ich mir noch den Russenmarkt ganz in der Nähe an aber was Gescheites gibt’s dort nicht zu kaufen und verstehen tut mich auch keiner.
Donnerstag, 19.06.2014 – Von Tallin nach Helsinki
Halb sechs klingelt der Wecker und ich muss raus. Die Sonne steht auch schon hoch am Horizont. Bis zum Fährhafen ist es noch ne knappe halbe Stunde zu Fuss. Beim Auschecken an der Rezeption traue ich meinen Augen nicht: Da hängen immer noch ein gutes Duzend Bierleichen am Tresen und wollen nicht ins Bett wie es scheint. Meine Fährgesellschaft ist die “Vikingline”. Die haben mit 24 Euro die günstigsten Preise. Das Schiff ist nochmal ne Nummer grösser als die Athena Seaways die mich von Kiel nach Klaipeda gebracht hat. Cafe’s, Bistro’s, Kaufläden, Glücksspielautomaten und natürlich Duty Free Shops fehlen nicht. Wie im Monks Bunks hängen auch hier noch einige Alkoholleichen in den Sesseln. Das sind Finnen, die gestern mit der Nachmittagsfähre nach Tallin gekommen sind um sich dort die ganze Nacht in den Bar’s und Kneipen volllaufen ließen. Denn in Estland kostet der Alkohle höchstens die Hälfte. Könnte mir vorstellen, dass der eine oder andere ne Jahreskarte bei Vikingline gebucht hat.
Aber nicht nur der Alkohl ist in Finnland teurer, eigentlich alles. Mein “Eurohostel”, nur 300 Meter vom Pier entfernt, kostet auch doppelt soviel wie die in Tallin. Sparen tun die Finnen wohl nur beim Wetter. Denn heute ist es bedeckt, leicht regnerisch, windig und kühl. Und die Leute in Tallin hatten Recht: Helsinki ist nicht der grosse Bringer. Die Innenstadt hat man an einem halben Tag abgelaufen. Mir war nur wichtig, den Busbahnhof zu finden von welchem mein Lux-Express Bus übermorgen nach St. Petersburg abfährt. Muss mir für morgen also ein Alternativprogramm ausdenken oder einfach mal nichts unternehmen.
Freitag, 20.06.2014 – Helsinki
Das Eurohostel hat sogar ne finnische Sauna die man kostenfrei benutzen kann. Allerdings nur von 6-9:30 Uhr morgens. Ansonsten teuer bezahlen. Für einen Saunagang nach dem Aufstehen reichts aber schon. Auch das Frühstücksbuffett ist nicht im Preis inbegriffen. Aber es ersetzt 2 Malzeiten wenn man es am späten Vormittag einnimmt. Heute gzeizen die Finnen nicht mit dem Wetter. Es ist nur leicht bewölkt und die Sonne lacht bei kanpp über 20 Grad. Da bietet es sich an mal mit der Fähre nach Suomenlinna zu fahren. Suomenlinna ist eine 1748 auf mehreren Inseln vor Helsinki gegründete Seefestung in der man die Einflüsse östlicher und westlicher Herrschaft sehen kann. Die haben anfangs die Russen, später die Schweden und zuletzt die Finnen ausgebaut. 1991 wurde sie in die Liste des UNESCO Weltkulturerbes aufgenommen. Die Fahrt dorthin dauert nur 20 Minuten und kostet unschlagbare 2,50 Euro (one way natürlich). Sie ist ein beliebtes Ausflugsziel der Bevölkerung von Helsinki.
In Finnland gibt es keinen Wettergott. Nachmittags fängt es wieder zu regnen an. Und das am längsten Tag des Jahres wenn abends um sechs alle Läden, Restaurants und Kneipen dicht machen wegen des Mittsommer-Festivals. Da packen die Finnen ihre Rucksäcke mit Fressalien und natürlich viel Alkohol und machen sich auf zu eine der vielen Veranstaltungen. Und ich hab mich noch gewundert warum die Supermärkte alle so brechend voll waren. Mir bleibt also nichts anderes überig als den Menschenmassen hinterherzulaufen. Die gehen alle runter zum Pier um in eines der vielen Boote zu steigen die auf die vorgelagerten Inseln fahren. Dort angekommen geht’s schnurstracks zum Strand um zu picknicken. Punkt 21 Uhr werden die schon vorbereiteten Scheiterhaufen anlässlich der Sonnwende angezündet. Das mit dem Picknicken und daß es hier nichts zu kaufen gibt hat mir natürlich keiner gesagt. Mir bleibt also nichts anderes überig als das Spektakel zu betrachten.
Samstag, 21.06.2014 – Von Helsinki nach St. Petersburg
Ab heute ist es vorbei mit dem Spassurlaub denn es geht nach russland. Weil heute Feiertag ist, ist Finnland praktisch tot. D.h. nichts geht, auch nicht die öffentlichen Busse und Bahnen. Heißt für mich, dass ich nicht günstig mit der Tram vom Hostel zzm Kamppi Busbahnhof komme sondern ein teures Taxi brauche. Glücklicherweise wartet auch schon ein japanisches Paar an der Rezeption die ebenfalls mit der Tram zum Fährhafen wollen. Das ist ungefähr diesselbe Strecke. Also teilen wir un ein Taxi. Wir sind noch nicht richtig eingestiegen da zeigt der Taximeter schon 13,80.- Euro an! Ich will doch nicht das ganze Taxi kaufen! In meinem nächsten Leben werde ich Taxifahrer in Helsinki. Finnland ins deutsche übersetzt heißt bestimmt “Teuerland”. Wenn man da WC am Busbahnhof benutzen will dann kostet das auch schon einen ganzen Euro. Selbst aus Urin machen die noch Geld – die Spinnen, die Finnen!
Mein Lux Express Bus nach St. Petersburg ist wegen des Feiertags mit 6 Fahrgästen nur spärlich besetzt, macht seinem Namen aber alle Ehre. Bequeme Sitze, Stromversorgung, Internetzugang und Flachbildschirme mit Unerhaltungsprogramm ist geboten. Sogar den neuesten James Bond “Skyfall” kann man sehen – wenn auch nur in russischer Sprache. Auch die Uhren im Bus gehen schon anders. Denn St. Petersburg ist wieder ne Stunde voraus. Die beiden Busfahren sind freundlich, sprechen jedoch kein englisch. Aber hinter mir sitzt der russische Student Jevgeni. Der studiert in Helsinki, spricht gut englisch und kann mir alles übersetzen.
Gegen halb eins erreichen wir die Grenze. Die finiische Abfertigung geht ratz-fatz. Zwei Kilometer weiter warten dann die Russen. Das kann unter Umständen lange dauern meint Jevgeni. Doch die Einreiseformalitäten sind bei nur 6 Fahrgästen schnell erledigt und auch die Businspektion dauert nur 20 Minuten. Was die Grenzer genau prüfen sind die KFZ-Papiere der Autos. Denn in Russland kostet ein Gebraucht-PKW 2-3 mal soviel wie in Fiinnland. Bei der Ausreise aus Russland darf man auch nur 10 Liter Kraftstoff “exportieren” da der Sprit hier nur halb soviel kostet als bei uns. Dass man in Russland angekommen ist merkt man gleich an den schlechteren Straßenverhältnissen und natürlich an der kyrillischen Beschilderung. Um halb vier erreichen wir dann den Busbahnhof in St. Petersburg. Jevgeni tauscht mir noch 5 Euro in Rubel um und zeigt mir wie das hier mit der Metro funktioniert. Drei Stationen weiter bis Gostiny Dvor und noch 200 Meter Fussmarsch und ich stehe auch schon vor dem “Apple Hostel Italy”, meiner Unterkunft für die nächsten drei Tage. Der Laden wird von den drei Rusinnen Zlada, Ksusha und Oksana betrieben. Die sind total nett und fürsorglich. Als ich mich im Wohnbereich auf’s Sofa lege bringt mir die eine gleich ein Kissen und die andere deckt mich zu. Das nenne ich mal ein Rundumsorglospaket.
Heute spielt Deutschland gegen Ghana. Das MUSS ich natürlich sehen. Hier im Hostel sind noch 3 deutsche Mädels russischer Abstammung zu Gast. Die haben gestern schon einen Tisch vor der Grossleinwand im Schwabenkeller reserviert – wie praktisch. Da schließe ich mich natürlich an. Mit von der Partie sind noch zwei weitere Deutsche aus Thüringen. Das Spiel endete leider nur 2:2, hat unserer Stimmung bei Bier und Vodka keinen Abbruch getan. Am Tisch sitzt noch ein Russe, ein Bekannter der Mädels. Von dem haben wir gelernt, dass man beim Anstoßen eigentlich gar nicht (mehr) den Ausdruck “Na-sta-rovje” benutzt, sondern “Strok-nij” sagt. Was soviel bedeutet wie “lasst uns trinken bis wir besoffen sind”. Auf dem Heimweg laufen wir zum Neva Fluss um das allanächtliche Hochziehen der Brücken um 1:30 Uhr zu sehen. Deshalb, dass die grossen Schiffe auch reinfahren können. Die Brücken sind nachts toll beleuchtet. Aber was heißt Nacht, derzeit wird es hier nachts nicht dunkel. Deshalb spricht man auch von den weißen Nächten von St. Petersburg. Sollte man sich auf der falschen Seite der Brücke aufhalten hat man Pech und muss bis morgens um 5 Uhr warten. Dann werden die wieder heruntergelassen.
Sonntag, 22.06.2014 – Peterhof
St. Petersburg wurde erst 1703 von Peter dem Großen gegründet um dem Zarenreich einen Zugang zum Meer zu ermöglichen. Weil heute traumhaftes Wetter ist, will ich mir heute dessen Palast Peterhof ausserhalb der Stadt ansehen. Im Schlepptau habe ich noch eine der drei Mädels von gestern, die Jana. Genauer gesagt hat sie mich im Schlepptau. Denn im Gegensatz zu mir spricht sie russisch. Der Peterhof liegt etwas ausserhalb der Stadt direkt an der Ostseeküste, wir fahren also mit dem Schnellboot dorthin. Die 30 km schafft das Boot in 40 Minuten. Zitat aus dem Reiseführer: “Der majestätische Palast mit vielen weiteren Gebäuden, der Park am Hochufer des Finnischen Meerbusens und die mannigfaltigen Springbrunnen machen Peterhof neben Sanssouci und Versailles zu einr der schönsten Schlossparkanlagen Europas”. Da kann man sich schon mal ein paar Stunden aufhalten. Das gute Wetter und die Tatsache dass heute Sonntag ist hat nicht nur uns, sondern auch abertausende Russen und Touristen hierhergelockt. Stellenweise wird man regelrecht durch die Parks geschoben. Hat sich aber gelohnt hierherzukommen, ist absolut sehenswert.
Am Spätnachmitag laufe ich noch die Innenstadt ab um mir einen Eindruck über die prunkvollen Gebäude und die Örtlichkeiten zu machen. Wie in Deutschland auch fahren während der WM viele junge Russen im Autokorso hupend und mit wehenden Fahnen heute Abend schon vor dem Russland-Spiel durch die Innenstadt. Gut für sie dass sie schon vor dem Spiel feiern denn danach hatten sie keinen Grund mehr dazu: 0:1 gegen Belgien.
Montag, 23.06.2014 – 2. Tag in St. Petersburg
Da heute wieder mal das Wetter schlecht ist entschließe ich mich zum Katharinenpalast, etwas ausserhalb St. Petersburg zu fahren. Mit der Metro und dem Bus 545 kommt man gut hin. Habe mir das alles in kyrillisch von Zlata aufschreiben lassen um es den Busfahrern zu zeigen. Denn die können kein englisch. Katharina die Große verbrachte hier ihre ersten Jahre nach ihrer Übersiedlung nach Russland. Der Palast ist bekannt für den großen verspiegelten Ballsaal und vor allem dem Nachbau des legendären Bernsteinzimmers das im 2. Weltkrieg verschollen ist. Aber es scheint, dass ich nicht der Einzige bin der diese Idee hatte. Denn die Schlange vor mir ist etwa 100 Meter lang. Zwei Stunden anstehen sind mir dann doch zu viel. Also begnüge ich mich damit den Park anzusehen und wieder zurück in die Stadt fahren. Weil ich ab morgen mit der Transsib fahre heißt das Ersatzprogramm zum Katharinenpalast das Eisenbahnmuseum mit großem Archivmaterial der Transsibirischen Eisenbahn.
Dienstag, 24.06.2014 – Von St. Petersburg nach Moskau
Mein Zug nach Moskau fährt erst heute Nachmittag. Das gibt mir die gelegenheit am Vormittag noch die Eremitage zu besuchen. Das ist ein palastähnliches Gebäude in welchem sich eine der größten Kunstsammlungen der Welt befindet. Den Namen erhielt der Palast durch die Zarin Katharina die Große die sich hier oft wie ein Eremit in ihre Bildersammlung zurückzog. In 350 Sälen werden mehr als 60000 Exponate gezeigt. Ich interessiere mich eigentlich nicht besonders für Kunst aber die Eremitage ist ein MUSS hier und wann hat man schon mal die Gelegenheit viele echte Rembrandt’s, Van Gogh’s oder Picasso’s zu sehen.
Der Moskovsky Bahnhof ist nur eine Metro-Station vom Hostel entfernt. Sich in St. Petersburg zurechtzufinden ist eigentlich einfach. Die Straßennamen und Metrostationen sind sowohl in kyrillisch als auch in englisch beschildert. Für die Metro kauft man sich ne Wertmünze zu 25 Rubel (ca. 55 Cent) und kiann damit so weit fahren wie man will. Mein 80746 Zug steht schon am Gleis. 20 Minuten vor der Abfahrt öffnen die Schaffner(innen) die Türen und kontrollieren schon vor dem Einsteigen das Ticket und den Pass. Den Fahrschein habe ich schon vor 3 Wochen übers Internet gebucht und ausgedruckt: www.rzd.ru/en – funktioniert problemlos, der Ausdruck wird auch akzeptiert, muss also nicht in eine Originalfahrkarte umgetauscht werden.
Punkt 14:22 Uhr ist Abfahrt und das Abenteuer Transsibirische Eisenbahn beginnt. Wenn auch nur mit einem ganz normalen Personenzug, in 6-er Gruppen bis zu 60 Personen pro Wagen. Die Gegend wird ausserhalb von St. Petersburg schnell ländlich. Die Fahrt führt stundenlang durch Fichten- und Birkenwälder und Moorlandschaften. Habe noch nie so viele Birken gesehen. Anbauflächen sieht man kaum. Die wenigen Ortschaften wirken sehr ärmlich. Die Leute wohnen fast ausschließlich in älteren Holzhäusern deren Bausubstanz denen von Feldscheunen bei uns ähneln. Die Russen in meiner Sitzgruppe können leider kein englisch und mein Russisch reicht nicht für ne Unterhaltung. Bleibt mir also nur mal wieder russisch lernen: “urog dewit” – Kapitel neuen: Essen und Trinken.
Auf die russische Eisenbahn ist Verlass und um 22:12 Uhr auf die Minute genau läuft der 80746 in den Bahnhof OKTIABRSKAIA in Moskau ein. Aber jetzt wird’s schwierig. Denn ich muss mit der Metro mein “108 Minutes Hostel” in der Malaya Ordinka Strasse finden. Habe zwar eine Wegbeschreibung auf englisch, die sagt aber nur aus von welcher Haltestelle ich in der orangen Linie aussteigen muss. Und es gibt 13 Linien in Moskau. Ich weiß nicht mal an welcher Station ich hier bin. Denn im Gegensatz zu St. Petersburg sind die Metro-Stationen in Moskau nur in kyrillischer Sprache ausgeschildert und nen Metroplan habe ich auch noch nicht. Den hätte ich wohl besser vorher vom Internet ausgedruckt. Ich weiß nicht mehr genau wieviele Leute ich gefragt habe und wie oft ich in die falsche Richtung untertage gelaufen bin aber nach über ner Stunde habe ich das Hostel dann gegen Mitternacht doch gefunden. War mit Umsteigen eigentlich nur vier Stationen entfernt! Schnell einchecken, duschen, noch ne Pizza beim Italiener um die Ecke und ab ins Bett – mir reicht’s für heute !
Mittwoch, 25.06.2014 – Moskau
Mein “108 Minutes Hostel” heißt überigens so weil das die Zeit ist, die der erste Astronaut, der Russe Juri Gagarin, im Weltall verbrachte. In irgendeiner Form ist es als Hostel auch überirdisch komfortabel, sehr sauber und vor allem sehr sicher. Man hat mir gestern beim Einchecken gleich mal fünf verschieden Schlüssel überreicht. Einen für die Gebäudeeingangstür, einen für mein Apartment, einen zweiten Apartmentschlüssel wo sich die Rezeption befindet, einen Zimmerschlüssel und zuguterletzt nen Schließfachschlüssel. Da ist ne Verwechslung schon vorprogrammiert. Habe die gleich “an die Kette gelegt” um sie nicht zu verlieren.
Heute treffe ich mich um 12 Uhr mit Julia an der Universität. Julia ist aus Moskau. Ich habe sie bei einer Stadtführung in Vilnius / Litauen kennengelernt. Sie spricht hervoragend deutsch, englisch und schwedisch (russisch sowieso). Sie studiert auch deutsch an der größten Universität hier in Moskau und schreibt grade ihre Doktorarbeit über Übersetzungen innerhalb der EU. Im Frühjahr hat sie mal ein paar Monate in Tübingen verbracht – und wie’s der Zufall so will hat sie einen Bekannten in meiner Heimatstadt Schwäbisch Hall. Sie hat heute und morgen Zeit und mir angeboten, mir die Stadt zu zeigen. Da kann ich natürlich nicht nein sagen. Zunächst zeigt sie mir das Unigelände denn rein darf ich ohne Studentenausweis nicht. Von den vielen Storys rund um die Uni ist bei mir der Studententag am 25. Januar hängengeblieben, der jedes Jahr gross gefeiert wird. Das ist nämlich mein Geburtstag. Da hätte ich besser mal in Moskau studiert. Gleich hinter der Uni ist ein Aussichtspunkt auf die Moskva (Fluss durch Moskau) und die Innenstadt. Anschließend laufen wir runter zur Moskva und nehmen eines von den vielen Touristenboote die hier halten und fahren damit Richtung Kreml. Vorbei geht’s aber zunächst am Gorky Park wo man wenn man genau hinhört noch “The Wind of Change” von den Skorpions hören kann und an der Christ-Erlöser-Kathedrale. Julia überschüttet mich massenweise mit Info’s über Moskau. Die kann ich gar nicht alle verarbeiten. Am Kreml steigen wir dann aus. Früher eine mittelalterliche Burg wo einst Ivan der Schreckliche herrschte, dient der Kreml heute als Amtssitz des russichen Präsidenten. Und der sollte heute eigentlich auch da sein. Das sieht man an der gehissten russichen Flagge. Audienz hat uns Vladimir (Putin) leider nicht gewährt. Man kann auch rein in den Innenhof des Kreml’s muss sich aber immer auf den markierten Wegen halten. Verstösst man dagegen wird man sofort zurückgepfiffen von den unzähligen Polizisten hier. Vor dem Kreml befindet sich natürlich der Rote Platz und die Basiliuskathedrale, die russisch-orthodoxen Mariä-Schutz-und-Fürbitte-Kathedrale. Und wenn man schon mal da ist sieht man sich natürlich auch das bekannte Bolshoi Theater an.
Vor der Fahrt zurück zum Hostel muss ich wieder x-mal nach der richtigen Metro fragen, denn die unterirdischen Gänge sind wie ein Labyrinth und kyrillisch ist für mich ein Buch mit sieben Siegeln.
Donnerstag, 26.06.2014 – Moskau 2. Tag
Um 10 Uhr holt mich Julia, mein wandelndes Moskau-Lexikon, am Hostel ab – Moskau 2. Teil. Wir laufen zu Fuss zum roten Platz runter. Das sind nur 15 Gehminuten wenn man den Weg kennt. Wenn ich das gestern Abend schon gewusst hätte wäre ich gleich heimgelaufen. Das wäre schneller gewesen als mich umständlich durch die Metro zu “kämpfen”. Eigentlich wollten wir ins Lenin Mausoleum das mitten auf dem roten Platz steht. Aber die Menschenschlange ist wieder mal so lang daß sich ein Anstehen nicht lohnt. Stattdessen fahren wir mit der Metro zum “kleinen Kreml” raus. Ja richtig, es gibt noch nen Kreml hier in Moskau, den “Ismialowskij Kreml”. Das ist ein Nachbau der älteren Form des im Mittelalter abgebrannten großen Kreml. Der ist auch nur 300 Jahre alt (der große etwa 900) und wurde unter Zar Peter dem Großen gebaut. Peter der Große ist auch dafür verantwortlicih, daß die Russen so viel Vodka trinken, war er doch dem Getränk überhaupt nicht abgeneigt und hat dafür gesorgt, dass das Volk auch etwas davon abbekommt. Alle Adligen konnten steuerfrei Vodka brennen. Und deshalb gibt es in seinem Kreml auch ein Vodka-Museum. Schon vor dem Betreten des Museums stösst man auf eine Tafel mit 365 Gründen, Vodka zu trinken. Eben für jeden Tag im Jahr einen. Man zahlt ein paar Euro Eintritt, schaut sich die vielen Bilder und Exponate an und bekommt am Ende natürlich einen Vodka mit Zitrone zum Sofortverzehr ausgeschenkt. Das Wort Vodka ist übrigens eine Ableitung des russischen Wortes “voda”, was Wasser bedeutet. Deswegen trinken es viele Russen wohl auch in der gleichen Menge wie Wasser. Der kleine Kreml sieht von außen aus wie ein Märchenschloss, weswegen ihn auch viele Paare zu Hochzeitsfotos nutzen. Unter den teuren Autos die davor standen waren allein neun Stretch-Limousinen.
Künstlerisch sehenswert sind in Moskau auch viele Metrostationen. Julia kennt die natürlich alle und zeigt mir die schönsten davon. Zu jeder Station weiß sie einige Geschichten. Da können die verwahrlosten U-Bahn Station in Deutschland nicht mithalten.
Abends um zehn nach dem 1:0 Sieg der Deutschen bei der Fussball-WM gegen die USA laufe ich nochmal vom Hostel runter zum roten Platz um ein paar Nachtaufnahmen zu machen. In der Stadt ist es verdächtig ruhig. Das kommt daher, daß die Russen nur 1:1 bei der WM gespielt haben und damit das Achtelfinale nicht erreicht haben. Der Autokorso durch die Stadt ist also ausgeblieben.
Freitag, 27.06.2014 – Von Moskau nach Ekaterinburg
Mein Zug nach Ekaterinburg fährt erst heute Mittag um 13:20 Uhr. Da hat sich meine russische “Reiseleiterin” noch ein Vormittagsprogramm für mich ausgedacht. Zunächst fahren wir zur Erlöserkathedrale die nach dem Sieg der Russen über Napoleon 1812 erbaut wurde, in der Sovietzeit eingerissen und zum Schwimmbad umfunktioniert und in den 1990er Jahren nach der Wende neu gebaut wurde. Hier drin herrscht striktes Fotografierverbot. Gegen später hab ich dann doch unbemerkt ein paar Bilder gemacht bis ein Aufseher es gesehen hat und ich achtkantig rausgeworfen wurde. Aber egal, ich habe die Bilder und wir wollten eh gehen. Den Siegesplatz mit dem ewigen Feuer zum Gedenken des 2. Weltkrieges hätten wir besser im Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit weggelassen. Denn ich musste noch Lebensmittel für die lange Zugfahrt einkaufen, Mittag essen und das Gepäck abholen. Aber irgendwie hat es dann doch noch zum Zug gereicht. Denn Julia kennt sich hier bestens aus und hat natürlich gleich den richtigen der sieben Moskauer Bahnhöfe angesteuert. Richtung Osten fahren die meisten Züge vom Bahnhof Kazan ab. Der Schaffner wartet auch schon vor dem Zug um die Tickets und die Pässe zu kontrollieren. Auch hier hat meine elektronische Reservierung übers Internet vor fünf Wochen funktioniert. Denn ich stehe schon auf seiner Liste. Ich bedanke mich noch tausendmal bei meiner Moskauer Bekannten, sage “Paka” (Tschüss) und steige ein. Eiine Viertelstunde später beginnt dann die erste große Etappe Richtung Sibirien.
Die Fahrt nach Ekaterinburg dauert laut Plan fast 27 Stunden. Ich fahre natürlich in der untersten, der 3. Klasse. Man will ja was erleben. Die oberen Pritschen sind tagsüber hochgeklappt und werden abends zu Betten umgebaut. 9 offene Abteile pro Wagen mit je 6 Betten. Die Bettwäsche kostet extra 117 Rubel (etwa 2,50 Euro) und ist beim Schaffner zu entrichten. In meinem Abteil sitzt noch eine Frau mit ihrem Sohn, sowie 3 Schwestern im Alter von ca. 8-16 Jahren. Die älteste spricht ein wenig englisch. Aber auch nicht viel mehr als ich russisch. Da ist die Kommunikation schwierig. Bis wir den Stadtrand von Moskau erreicht haben ist der Zug schon ne halbe Stunde unterwegs. Danach geht’s wie vor 3 Tagen erstmal durch unendlich viele Birkenwälder. Im Zug richtet man es sich gemütlich ein. Zuerst wird das Gepäck unter den Sitzen verstaut und dann die Straßenschuhe in Hausschuhe getauscht. Für die langen Fahrten trägt man eh schon bequeme Kleidung, möglichst nen Trainingsanzug. Anschließend kommt ein Teil der tonnenweise mitgeschleppten Lebensmittel auf den Tisch. Kochen kann man zwar nicht, aber in jedem Wagen ist ein Boiler installiert wo man kostenfrei Heißwasser für Tee, Instantkaffee oder Instantnudeln herauslassen kann. Der hinterlässt zwar einen etwas älteren Eindruck und sieht eher so aus wie eine in die Jahre gekommene Vodkadestillationsanlage, funktioniert aber tadellos – und es kommt tatsächlich Wasser raus und kein Vodka!
Mein Mittagessen muss ich auch im Zug einnehmen da ich den sonst verpasst hätte. Es gibt mal wieder “Kroschka Kartoschka”. Kartoschka bedeutet natürlich Kartoffel. Dieses beliebte Gericht hier ist eine große, in der Mitte aufgeschnittene und aufgeklappte gekochte Kartoffel in Alufolie. Da drauf kann man sich verschiedene Zutaten legen lassen, wie z.B. Lachs, Hering, Gemüse oder Salat. Schmeckt gut, ist günstig und füllt den Magen.
Die drei Mädels aus meinem Abteil sind aus Murmansk ganz im Norden Russlands und wollen nach Navashino, haben also nur fünf “Stanzas” (Stationen) vor sich und steigen um halb sechs wieder aus. Die Kids hier sind auch nicht viel anders als die bei uns daheim. Die beiden älteren beschäftigen sich meist mit dem Handy und die Kleine quält stundenlang ihren Gameboy. Die drei freigewordenen Plätze bleiben nur eine Stunde leer und werden schon an der nächsten Station Adamaz durch eine “Babuschka” (Oma) mit ihren beiden Enkeln eingenommen. In Russland ist die Kindererziehung Sache der Großeltern da die Eltern beide arbeiten gehen. Dafür können die Großmütter schon mit 55 und die Großväter mit 60 in Rente gehen. Abends schnappt man sich ene der ganz oben verstauten, zusammengerollten Matrazen. Die wird dann auf die Sitzpritsche gelegt und mit dem Bettzeug überzogen. Ein Kissen gibt’s auch dazu. Um 22 Uhr schaltet der Schaffner dann das Licht aus. Die Notbeleuchtung ist derzeit überflüssig denn draußen ist’s immer noch taghell. Wenn man nachts durch den Korridor des Wagens zum WC läuft muss man aufpassen nicht an den Füssen der großen Fahrgäste hängenzubleiben die aus den viel zu kurzen Betten herausragen.
Samstag, 28.06.2014 – Ankunft in Ekaterinburg
Um 4.37 Uhr werde ich durch ein lautes, nicht enden wollendes Geratter wach. Der Zug fährt über eine ewig lange Eisenbahnbrücke. Darunter ein riesiger Fluss. Das muss die Wolga sein. Wenn man zum Fenster rausschaut bietet sich dasselbe Bild wie gestern: Birkenwälder, nur Birkenwälder. Seit der Zug gestern Moskau verlassen hat regnet es unaufhörlich. Die transsibirische Eisenbahn ist schon so etwas wie die Lebensader Richtung Osten. Auf der 2-gleisigen Strecke fahren täglich 10-15 Personenzüge. Und die Güterzüge verkehren im Viertelstundentakt um die Bodenschätze nach Westen zu transportieren. Gegen Mittag erreicht mein Zug den Ural. Der Ural ist ein bis 1895 m hohes und 2400 km langes Gebirge das in Nord-Süd Richtung verläuft und die natürliche Grenz zwischen Europa und Asien bildet. Ich würde den aber eher als bewaldete Hügelkette und nicht als Gebirge bezeichnen. Sieht ähnlich aus wie im Schwarzwald. Wenigstens sieht man jetzt mehr Nadelholz und weniger Birken. Von denen hab ich jetzt echt genug gesehen. Es wird höchste Zeit daß der Zug Ekaterinburg erreicht. Die Luft im Wagen könnte man schneiden. Dazu kommen noch die Grüche der vielen verzehrten Speisen. Die wenigen kippbaren Fenster können wegen der heruntergelassenen oberen Betten nicht geöffnet werden und Klimaanlage gibt’s natürlich in der 3. Klasse keine. Gestern hat mich mal ne ältere, dicke Russin angeschnauzt weil ich eines geöffnet habe. Anscheinend hat’s ihr zu sehr gezogen – ich frage mich was die im Winter bei minus 40 Grad macht. Aber irgendwie gehen auch die 27 Stunden zu Ende und um 16:01 Uhr exakt nach Plan läuft der Zug in Ekaterinburg ein. Von der Pünktlichkeit hier könnte sich die Deutsch Bahn mal ne Scheibe abschneiden. Genauer gesagt ist die Ankunftszeit nicht 16:01 Uhr sonder 18:01 Uhr lokaler Zeit, also 2 Stunden später. Ekaterinburg liegt auch 1813 km von Moskau entfernt. Ab jetzt muss ich mit zwei unterschiedlichen Zeitzonen rechnen. Denn die Uhren, Fahrpläne und Fahrkarten auf allen Bahnhöfen in Russland, egal ob Moskau oder Vladivostok, zeigen Moskauer Zeit an.
Mit der Metro und ein Stück zu Fuss kommt man schnell in die Stadt rein. Hier gibt’s nur 2 Linien und keine 13 wie in Moskau. Mein vorher reserviertes “Omnomom Hostel” finde ich auch recht schnell. Das ist ähnlich wie das 108 Minutes in Moskau relativ neu, sauber und gut ausgestattet. Es ist wenig los hier. Habe ein 8-Bett Zimmer für mich alleine. Außer mir ist nur noch ein russisches Ehepaar hier untergebracht.
Sonntag, 29.06.2014 – Auf den Spuren der Romanovs
Ekaterinburg ist mit ca. 1,5 Millionen Einwohnern nach Moskau und St. Petersburg die drittgrößte Stadt in Russland. Gegründet 1721 von Peter I. um die Naturreichtümer des Urals zu erschließen ist Ekaterinburg heute einer der wichtigsten Standorte der russischen Schwerindustrie. Früher hieß die Stadt noch nach dem ersten bolschewistischen Ministerpräsidenten Sverdlovsk. Der Bahnhof heißt heute noch so. Das muß man wissen wenn man online Tickets buchen will; ich habe die Transsib-Haltestelle auch vergeblich unter (Y)Ekaterinburg gesucht. Die Bolschewisten haben auch 1918 für die traurige Berühmtheit der Stadt gesorgt indem sie hier die letzte Zarenfamilie ermordet und die Leichen außerhalb der Stadt im Wald verscharrt haben. Das war das Ende der Romanov-Dynastie. Dort wo sie ermordet wurden steht heute eine orthodoxe “Kathedrale auf dem Blut”. Nachdem ich mir die angeschaut habe nehme ich die Metro und den Bus 223 und fahre raus aus der Stadt zu der Gedenkstätte des Ortes wo die Zarenfamilie seinerzeit verscharrt wurde. Mittlerweile liegen die Gebeine in der St. Petersburger Peter und Paul Kathedrale. Trotzdem pilgern täglich noch viele orthodoxe Gläubige hier in den Wald von “Ganina Jama” hinaus wo sich auch ein Kloster befindet. Also pilgere auch ich hierher.
Wenn man KEIN Museumsfan wie ich ist, gibt es in der Stadt sonst nicht besonders viel zu sehen. Erwähnenswert noch, dass der erste russische Präsident Boris Jelzin vom Ural stammt und früher hier sowjetischer Parteichef war.
Montag, 30.06.2014 – Ekaterinburg
Heute ist mein 2. und letzter Tag hier in Ekaterinburg. Da ich mit der Transsib fahre und es hier ein Eisenbahnmuseum darüber gibt will ich mir das anschauen, bzw. wollte mir das anschauen. Denn natürlich haben die grade montags geschlossen. Etwas außerhalb der Stadt verläuft die Grenze zwischen Europa und Asien. Da steht auch ne größere Grenzmarkierung. Also versuche ich ein Taxi zu organisieren das mich dorthin bringt. Habe mir dazu den Ort von der freundlichen Dame des Touristeninformationsbüros in kyrillisch aufschreiben lassen. Das sollte nicht viel mehr als 600 Rubel kosten, meinte die. Aber weil ich Tourie bin und man mir das auch ansieht wollen die Taxifahrer nicht unter 1500 Rubel runtergehen. Abzocken lasse ich mich nicht. Also fahre ich mit der Metro wieder rein in die Stadt, gehe ins Touri-Büro und lasse mir von der freundlichen Dame ein günstiges Taxi bestellen. Was besonderes ist diese Grenzmarkierung nicht aber wann hat man schon mal die Möglichkeit mit einem Bein in Europa und dem anderen in Asien zu stehen. Der Zar hat das früher ähnlich gemacht: Er hat seine erste Tasse Tee in Europa getrunken und wenig später die zweite in Asien.
Sehenswert soll hier auch der örtliche Friedhof sein. Vor allem die bombastischen Gräber der eines unnatürlichen Todes gestorbenen Mafiosi’s. Ist aber auch etwas außerhalb und nur mit dem Taxi erreichbar, muss ich nicht zwingend gesehen haben. Stattdessen lege ich nachmittags die Beine hoch und ruhe mich aus. Denn heute Abend steht die “Königsetappe” der Reise an: Von Ekaterinburg nach Krasnoyarsk in 36 Stunden. Zwei Nächte und ein Tag im Zug verbringen. Bedeutet in jedem Fall noch mal kräftig Shoppen gehen im Supermarkt damit ich keinen Hunger leiden muss die anderthalb Tage auf der Schiene.
Ne gute Stunde vor Abfahrt des 0704A stehe ich schon am Bahnhof. Denn auf meinem Online-Ticket steht natürlich noch nicht der Bahnsteig drauf von dem der Zug abfährt. Ich kann den auch nicht auf der Anzeigetagel finden. Und die Dame an der Information spricht nur russisch. Wenn ich ihr Gestikulieren richtig deute heißt das Warten. Also warte ich. 20 Minuten später nimmt sie mich (fast) an der Hand und führt mich zum Gleis 1 wo Minuten später der 0704A überpünktlich einläuft. Sind doch freundliche Leute, die Russen. Auch hier klappüt meine Reservierung übers’s Internet und natürlich fahre ich auch diese Strecke in der 3. Klasse – man will ja was erleben. Die 3. Klasse wird übrigens “Platskart” genannt. In meiner “6er-Bucht” in Wagen 13 sitzen ein russisches Ehepaar, so Mitte 50 und deren Bekannte. Die reisen von Moskau nach Chita. Das ist noch ein Stück hinter dem Baikalsee, d.h. die sitzen 4 Tage und 4 Nächte im Zug. Leider können die auch so gut wie gar kein englisch. Wäre da nicht noch ein buddhistischer Mönch in unserem Abteil. Der kann tatsächlich einigermaßen englisch und kann übersetzen.
Was ich heute total “verpeilt” habe ist das Achtelfinale der Deutschen bei der Fussball-WM gegen Algerien. Irgendwie habe ich das bei der Reiseplanung vergessen. Anpfiff ist it Abfahrt des Zuges. Und kein Fernseher oder Internet in der Bahn! Das müssen die halt irgendwie ohne mich hinbekommen.
Dienstag, 01.07.2014 – Von Ekaterinburg nach Krasnojarsk
Gut geschlafen habe ich letzte Nacht. Das monotone Geratter des Zuges tut sein übriges dazu. Als ich aus dem Fenster schaue bietet sich ein anderes Bild als gestern Abend. Wir haben den Ural hinter uns gelassen, das Land ist wieder topfeben. Man sieht wieder weniger Nadelholz dafür mehr . . . Richtig! BIRKEN !!! Russland sollte man echt in Birkenland umtaufen.
Die Gerüche im Wagen ändern sich morgens stündlich. Nimmt man am Anfang noch einen leichten Schlaf- und Schweißgeruch wahr, so wird der nach den Aufstehen von verschiedenartigen Deodorants überdeckt – Duschen gibt’s ja keine in der Platzskart. Ist der verflogen dann steigen einem die Gerüche von Tee, Kaffee und vor allem der vielen mitgebrachten Speisen in die Nase.
Meine Russen aus Chita haben einen reich gedeckten Frühstückstisch. Aus einer der vielen mitgebrachten Taschen zaubern die eine selbstgebackene Pastete die so groß ist, daß sie fast den gesamten Tisch in Anspruch nimmt. Dazu kommt noch der halbe Gemüsegarten von Zuhause. Käse, Schinken und Speck darf natürlich auch nicht fehlen. Da kann ich nicht ganz mithalten mit Kaffee, Croissants und Gebäck, aber ich bin ja auch kein Russe. Das Angebot die Pastete zu probieren lehne ich nicht ab – schmeckt echt gut, wäre aber nicht meine bevorzugte Frühstücksspeise.
Die Toillettengänge im Zug sollte man unbedingt mit dem Fahrplan abstimmen. Denn die WC’s werden ne gute Zeit vor Erreichen einer Haltestelle von der “Provodnitsa” (Schaffner/rin) abgeschlossen. Deshalb, damit nicht die Exkremente und der Unrat auf den Bahnhöfen herumliegt.
Bei Kilomenter 2711 (ab Moskau) überquert der Zug den Fluss Irtys. Die Irtys ist mit über 4400 km Länge einer der vier großen Ströme Sibiriens und mündet später in den Ob. Nur wenige Kilometer später ein 20-minütiger Stop in der Industriestadt Omsk. Das gibt die Gelegenheit mal rauszugehen aus dem Zug und sich die Füße zu vertreten. Wenig später überquert der Zug die nächste Zeitzone und ist jetzt 3 Stunden von Moskau und 5 Stunden von Europa entfernt. Ein weiterer Halt an dem man aussteigen kann ist um 15:46 Uhr Moskauer Zeit Barabinsk. Hier warten schon viele fliegende Händler auf Umsatz durch die Fahrgäste. Zu bieten haben die außer Klamotten, Erdbeeren und Frittiertem noch getrockneten Fisch, der auch reißenden Absatz verspricht, und damit dem Wageninneren des Zuges eine weitere Duftnote verleiht.
Um 19:40 Uhr Moskauer Zeit bzw. 22:40 Uhr lokaler Zeit überquert der Zug dann den etwa 1 km breiten Ob und läuft wenig später im Bahnhof von Novosibirsk, der Hauptstadt Sibiriens, ein – 54 Minuten Aufenthalt, also nix wie raus. Was sofort angenehm auffällt sind die 23 Grad Lufttemperatur. Was keine Minute später unangenehm auffällt sind die vielen aggressiven Schnaken. Die fragen nicht lange ob sie stechen dürfen, sie tun’s einfach. Auf dem Bahnsteig treffe ich noch ein junge Amerikanerin und eine junge Engländerin. Ich dachte schon ich wäre der einzige Ausländer im Zug. Die beiden fahren in der 2. Klasse. Das sind abgeschlossene 4-Bett Kabinen mit Türen. Da kann ich mir den Seitenhieb nicht verkneifen und sag zu denen: “Mädels, wenn man die Transsib nicht mit Platskart (also 3. Klasse) fährt, dann ist man die Transssib nicht gefahren”. Und so geht der erste Tag der Königsetappe zu Ende und die zweite Nacht im Zug steht bevor.
Mittwoch 02.07.2014 – Ankunft in Krasnojarsk
Schon früh um sechs werde ich wach weil das monotone Geratter plöztlich weg ist. Der Zug steht im Bahnhof Mariinsk. Und weil die Sonne grade aufgegangen ist und alles in ein goldenes Licht versetzt, stehe ich auf um draußen ein paar Fotos zu schießen. Aber die Wagentür ist noch verschlossen. Da nimmt mich die Provodnitsa an der Hand, übergibt mir die Wagenschlüssel und deutet auf das Türschloß. Erst jetzt bemerke ich, daß sie offensichtlich stark angetrunken ist und nicht mehr dazu in der Lage die Türen zu öffnen. Da helfe ich doch gerne aus und lasse mich auch noch auf ein Fotoshooting mit ihr auf dem Bahnsteig ein – so schnell wird man hier zum Hilfsschaffner befördert!
Mein “SibTourGuide-Hostel” hier in Krasnojarsk ist nach deren eigenen Angaben nur 15 Gehminuten vom Bahnhof entfernt. Das sollte doch auch mit 20 Kilo Gepäck machbar sein. Also marschiere ich los und lasse mir von einer jungen russischen Passantin nochmals den Weg bestätigen. Das Hostel kommt aber irgendwie nicht in Sicht und ich laufe schon mehr als 20 Minuten. Nach über ner halben Stunden bin ich dann wenigsten am Häuserblock 85 der Mira Street angekommen aber von dem Hostel weiter keine Spur. Nach weiteren 10 Minuten hahe ich dann den Hintereingang des Gebäudekomplexes gefunden und irgendwo steht da auch ein Pfeil mit “Hostel”. Aber keine Klingel an der Tür, lediglich ein elektronisches Zahlenschloss. Wieder ne Viertelstunde später laufen hier ein paar junge Russen herum. Die können mir dann sagen, wie man dieses elektronische Gebilde bedient: Man gibt folgendes ein: * gefolgt von der <Apartment-Nr> und dann läutet es Innen – woher soll ich das nur wissen? Das gibt jedenfalls mal ne saftig schlechte Beurteilung in hostelword.com.
Krasnojarsk ist mit kanpp 1 Million Einwohnern nach Novosibirsk und Omsk die drittgröste Stadt in Sibirien. Sie liegt im Flusstal des hier fast 2 km breiten Jenissei und ist etwa 4100 km von Moskau entfernt. Ihre zentrale Lage in Russland bescherte ihr in der Sowjetzeit viel Atom- und Rüstungsindustrie. Auf dem 10-Rubel Schein findet man die Wahrzeichen Krasnojarsk’s. Zum einen den Divnogorsk Staudamm (Wasserkraftwerk) und zum anderen die Paraskeva-Kapelle am Stadtrand auf einem Hügel. Der ist in ner halben Stunde gut zu Fuss zu erreichen. Und von hier oben hat men ne gute Aussicht auf die Stadt. Also ist der mein Nachmittagsziel. Leider sollen die 10-Rubel Scheine durch Münzen abgelöst werden (die gibt’s schon), ich muss also einen als Souvenir mitnehmen. Anschließend marschiere ich noch runter zum Jennisei und schaue mir die gewaltige Eisnbahnbrücke an die den Fluss überspannt – das Thema der Reise ist ja Transsib.
Donnerstag, 03.07.2014 – Krasnojarsk
Krasnojarsk’s größte Attraktion ist der Stolby Nationalpark, eine bewaldete Bergkette bis knapp 600 Meter Höhe und liegt südlich des Jennissei. Mein SibTour Hostel bietet sogar Trekkingtouren dorthin an. Nach der langen Eisenbahnfahrt ist es mir aber eher nach Ruhe zumute. Als Alternative kann man den Stolby auch über das nahe gelegene, kleine Skigebiet mit dem Sessellift erreichen. Und dieser Halbtagesausflug passt gut in den Vormittag rein. Stolby bedeutet Pfähle. Damit sind die rötlichen Granitfelsen gemeint die sich aus den Wäldern der Bergtaiga erheben.
Das Nachmittagsprogramm ist dann komplett dem Nichtstun gewidmet – Beine hochlegen am Jennissei Fluß und ein kühles, blondes dazu trinken. Hier an das Ufer des Jennissei zieht es auch viele Einheimische her zum flanieren in den kurzen, warmen Sommermonaten. Vor alllem die Frauen zeigen viel “Bein” um das Aufsehen der “wenigen” Männer auf sich zu lenken. Denn anscheinend herrscht in Russland 1/3 “Frauenüberschuß”. Das kommt anscheinend davon, daß sich viele Männer den Kragen absaufen oder durch irgendwelche sonst gefährliche Aktionen das Leben verlieren.
Heute Nacht um 2 Uhr startet dann die nächste Etappe von Krasnojarsk bis Irkutsk am Baikalsee.
Freitag, 04.07.2014 – Von Krasnojarsk nach Irkutsk
Bei der Reservierung diese Tickets habe ich die Zeitverschiebung nicht berücksichtig. Der Zug fährt 22 Uhr Moskauer Zeit ab. Das ist aber 2 Uhr lokaler Zeit, also mitten in der Nacht. Zu der Zeit fährt kein Bus mehr und Taxi ist auch keines zu sehen. Dann schleppe ich mein Gepäck halt wieder ne halbe Stunde vom Hostel zum Bahnhof. Auch der 0443A aus Moskau kommend ist pünktlich und das Einchecken geht schnell und reibungslos vonstatten. Die Fahrt dauert diesmal nur 18 Stunden. Die sitze ich als nun schon Transsib-Profi auf einer A….nbacke ab. die 117 Rubel für die Bettwäsche muss ich diesmal nicht bezahlen, da die bei der Buchung schon abgezogen wurden. Also habe ich bei den beiden letzten Fahrten zu viel bezahlt! Ich habe wieder mal ein oberes Bett (gerade Platzzahlen sind oben). Auf den unteren Plätzen liegen zwei ältere, russische Frauen die etwas mürrisch snd weil mitten in der Nacht noch Leute zusteigen. Die wären wohl besser 1. Klasse gefahren. Ich kann denen ja leider nicht erklären daß ich erst zugestiegen bin (kann kein russisch), aber Xenia könnte es. Sie hat den anderen oberen Platz, arbe>)itet in einem Reisebüro in Irkutsk und spricht einigermaßen englisch. Über die alten Frauen sind wir uns schnell einig.
Seit Krasnojarsk ist die Landschaft nicht mehr topfeben und damit wieder etwas abwechslungsreicher. Man sieht wieder mehr Nadelwälder und weniger Birken 🙂 . Aber nach ner halben Stunde aus dem Fenster schauen wird auch das langweilig. Der Tagesablauf im Zug beschränkt sich auf Warten, Essen und Schlafen. Die rollenden Massenschlafsäle sind trotz der vielen mitgebrachten Speisen recht sauber. Am Ende eines jeden Wagens ist ne größere Mülltonne die regelmäßig geleert wird. Und alle paar Stunden geht die Provodnitsa (Schaffnerin) mit dem Schrubber durch den Wagen und macht sauber. Duschen kann man sich nicht, aber waschen im WC. Ein kleines Handtuch wird von der Bahn mit der Bettwäsche gestellt. Zwei Wagen des Zuges sind komplett von russischen Soldaten belegt. Die fahren dem Anschein nach längerem Wehrdienst in die Heimat. Gestern Nacht sind schon einige ausgestiegen und überschwenglich von Familie und Freundin begrüßt worden. Viele Ausländer gabe ich in den Zügen noch nicht gesehen. Heute mal wieder ein norwegisches Paar die auch auch dem Weg nach Irkutsk sind. Kurz vor Dunkelheit läuft mein 0443A dann im Irkutsker Bahnhof ein. Mit der Tram für 12 Rubel 4 Stationen und ich stehe schon vor dem Gebäude auf dess Hinterseite sich mein Baikaler Hostel befindet – grade noch rechtzeitig um das WM Viertelfiinale zwischen Deutschland und Frankreich in einer Kneipe zu sehen. Damit ist der erste große Meilenstein der Reise erreicht.
Samstag, 05.07.2014 – Irkutsk & Listvianka
Im Vergleich zu Moskau gibt es in Irkutsk Stadtkern nicht viel sehenswertes. Die Leute kommen nur hierher wegen des nahe gelegenen Baikalsees. Der liegt 70 km südlich von hier. Der Fluss durch Irkutsk heißt Angara und bildet den natürlichen Ablauf des Baikalsees. Der Baikalsee ist ein Highlight der Sibirienreise. Er ist mit 636 km Länge, 80 km Breite und 1637 m Tiefe das größte Süßwasserreservoir der Erde (20%). Die Oberfläche ist zwar “nur” etwa so groß wie Belgien, er enthält aber mehr Wasser als alle fünf großen amerikanischen Seen zusammen.
Im Februar und März ist er komplett zugefroren und das Eis ist 1 Meter dick, sodaß man mit dem Auto drauf fahren kann. Um 1900 wurden sogar schon mal temporär Schienen für die Transsib darauf verlegt.
Da das Wetter heute schlecht ist und es bis Mittag aus Kübeln gießt, nehme ich nen Minibus um 13 Uhr und fahre damit nach Listvianka, einem urlaubsort am Baikalsee, weil den MUSS ich heute unbedingt noch sehen. Und am Nachmittag wird sogar das Wetter besser und die Sonne kommt heraus – geht doch! Auf dem Rückweg lasse ich mich ein paar Kilometer vor Irkutsk am Staudamm des Angara absetzen. Dort liegt noch ein alter Eisbrecher aus den 1920er Jahren vor Anker.
Sonntag, 06.07.2014 – Fahrt zur Olkhon Insel
An der Westküste des Baikalsees ist die 70 km lange Olkhon Insel. Von der aus kann man (natürlich) den See gut erreichen und Ausflüge vornehmen. Die Insel ist mittlerweile touristisch erschlossen und alle Hostels in Irkutsk bieten Touren dorthin an. Da das zum “Standardprogramm” hier gehört buche auch ich ne 3-Tages Tour. Den Baikalsee sollte man schon mal näher betrachten. Morgens um 10 geht’s los mit dem Minibus erstmal fünf Stunden die Westküste hoch auf zum Teil unbefesrigten Straßen. Mit an Bord sind noch ein Australier, ein Amerikaner, ein Chilene, eine Litauerin und eine Schweizerin. Es fehlt also nur ein Afrikaner(in) und alle 6 Kontinente wären vertreten. Vom Festland geht’s mit ner Autofähre auf die hier nur einen Kilometer entfernte Insel rüber.
Der Ein-Dollar Mann
Auf halber Strecke von Olkhon Island am linken Seeufer liegt der Ort Khuznir, unser Ziel. Unterwegs gabeln wir noch einen einheimischen, mongolisch-stämmigen Russen mit Familie auf. Der ist schon gut angetrunken, sitzt natürlich neben mir und quetscht mich auf russisch aus. Ich verstehe kein Wort. Aber die Litauerin kann übersetzen. Jedenfalls will der Typ von mir unbedingt eine Ein-Dollar Banknote haben, die ich grade nicht im Geldbeutel habe. Aber er fragt im Fünfminutentakt danach. Später muss ich noch Fotos von ihm und seiner Familie machen und versprechen sie ihm zuzusenden. Email Adresse hat er nicht, also kritzelt er seine Post-Adresse so unleserlich auf einen Zetttel daß es vermutlich nicht mal jemand lesen kann der des kyrillisch mächtig ist. Bin froh, daß der nach ner halben Stunde wieder aussteigt, nicht ohne ein paar mal nach den Dollers zu betteln.
Der Chilene Tomas, die Schweizerin Sarah und ich steigen im “U Olgi Guesthose” ab, die anderen bei “Nikita”. U Olgi ist eine kleine Bleibe mit nur ein paar Betten und wird von Olga betrieben. In diesem kleinen Familienbetrieb ist sie der Boss und bekocht alle Gäste noch selbst mit hervorragenden sibirischen Speisen. Für 1000 Rubel am Tag bekommt man das “Rundum Sorglos Paket” mit Frühstück und Abendessen. Später laufen wir noch rüber zu Nikita’s Homestead um dort eine Inseltour für morgen zu buchen. Es hat sich gezeigt, daß die Entscheidung bei Olga zu übernachten richtig war, denn Nikita ist hier zwar das Urgestein auf der Insel, seine Anlage ist jedoch mit weit über 100 Betten zu groß und unübersichtlich geworden. Die Inseltouren von Nikita jedoch sind gut organisiert. Deshalb buchen wir drei eine solche für den morgigen Tag.
Montag, 07.07.2014 – Baikaltour auf Olkhon-Island
Um zehn holt uns einer der hier noch viel zu sehenden aus der Sovjetzeit stammenden, vierradgetriebenen Minibusse bei Olga’s ab. Es geht auf die Tagestour zum Nordkap der Insel. Auf dem Weg dorthin halten wir mehrere Male an Aussichtspunkten von denen man einen tollen Blick auf den See hat. Vor allem an der Steilküste im Norden hat man eher den Eindruck an einem Meer zu stehen, so groß ist der See. Wir sind bei weitem nicht die einzige Gruppe hier. Es scheint, die ganze Insel ist heute unterwegs, die Karawane besteht aus gut 20 Minibussen mit je 8-10 Touries. Mit etwas Glück kann man auch die nur hier vorkommenden Baikalrobben sehen. Zu Mittag kocht unser Guide Sascha Fischsuppe mit Kartoffeln. Natürlich den Omul Fisch den der auch nur im Baikalsee vorkommt. Am Nachmittag dann der letzte Halt an einer seichten Bucht mit Kiesstrand und der Möglichkeit zum Baden. Der Chilene Tomas und ich waren die einzigen die es gewagt haben in die eisigen Fluten zu springen. Ich war schneller wieder draußen als drinnen – 13 Grad Wassertemperatur ist halt doch etwas wenig. Mehr als 15 Grad hat der See nie. Aber es gehört halt dazu mal reinzuspringen. Genauso wie eine Rubelmünze zu werfen wenn man hierher zurückkommen will. Die späten Sonnenuntergänge am Strand genießt man am Besten mit ner Dose Bier. Später geht’s dann nochmal rüber zu Nikita. Da ist abends immer was los. Im französischen Cafe spielt heite ein alter Russe mit dem Akkordeon auf. Spätestens beim Lied “Kalinka” fangen auch die jungen Russinnen zu tanzen an.
Dienstag, 08.07.2014 – Zurück nach Irkutsk
Ursprünglich wollte ich länger auf der Insel bleiben um mal ein paar Tage vom Reisestress auszuspannen. Aber von 10. bis 13. Juli ist in Ulan Bator das “Naadam Festival”. Das sind die jährlichen olympischen Reiterspiele der Mongolen. Und da Ulan Bator sowieso auf meinem Plan steht, könnte man sich das ja mal anschauen. Also heute früh um 9:30 Uhr mit dem ersten Bus wieder zurück nach Irkutsk. Auch Tomas und Sarah nehmen den. Der Fahrer scheint es heute besonders eilig zu haben und fährt mit nem Affenzahn über die unbefestigten Staub- und Schotterpisten. Ob das wohl gut geht denke ich noch, da tut es auch schon nen lauaten Knall hinten links. Danach ein lautes Geratter und Geklapper, 20 Meter weiter steht der Minibus am Strßenrand. Wie sich schnell herausstellt ist es leider keine Reifenpanne sondern wohl ein Bruch der Radaufhängung. Das kommt davon wenn man so schnell mit einem alten Fiat fährt. Geschlagene anderthalb Stunden dauert es bis die Russen einen anderen Minibus, diesmal einen neuen VW, organisiert haben. Der bringt uns dann auch sicher und ohne Boxenstopp zurück nach Irkutsk.
Mittwoch, 09.07.2014 – Von Irkutsk nach Ulan Ude
Den Fauxpas ein WM-Spiel der Deutschen zu verpassen darf ich mir nicht noch einmal leisten. Das Halbfinale gegen Brasilien steigt um 5 Uhr früh Ortszeit Irkutsk. Mein Zug nach Ulan Ude fährt um 8:35 Uhr ab. Das sollte selbst mit Verlängerung reichen – und hat es auch locker bei 7:1 !!! Habe das Spiel mit ein paar Jungs vom Hostel im Chilli’s angeschaut. Die haben 24 Stunden offen. Mein Deutschland Trikot wird heute auf der Reise bestimmt nicht ausgezogen.
Da keine Verlängerung bleibt mir am Bahnhof sogar noch Zeit das Ticket für die nächste Fahrt von Ulan Ude in Russland nach Ulan Bator in der Mongolei zu buchen. Hat über’s Internet nicht funktioniert weil wohl das Kontingent schon weg war.
Heute folgt ein Highlight dem nächsten. Denn die Fahrt von Irkutsk nach Ulan Ude ist der landschaftlich schönste Streckenabschnitt der Transsib den man unbedngt am Tag fahren sollte. Denn die Gleise führen meist direkt am Ufer des Baikalsee’s entlang. Da macht es auch nichts aus wenn an “so einem Tag so wunderschön wie heute” (nicht für Brasilien) es morgens bewölkt ist und leicht regnet. Nachmittags kommt dann doch die Sonne raus damit man auch was hat vom schönsten Streckenabschnitt der Transsib. Zum Ausblick auf den See kommt im Zug die dazugehörende Duftnote als fliegende Händlerinnen geräucherten Omul-Fisch aus dem Baikalsee anbieten, der natürlich reißenden Absatz unter den Zuggästen findet.
Auch auf dieser Fahrt habe ich einen ständigen Begleiter. Ein älterer, angetrunkener Russe sieht mir zu wie ich aus dem geöffneten Fenster Fotos vom See schieße. Der will mich immer auf die andere Seite schieben um die Berge zu fotografieren die mich aber nicht interessieren. Wenigstens verabschiedet er sich später 3 Mal von mir als ich aussteige.
Nach 2/3 der Strecke biegt die Zuglinie dann leider ins Landesinnere ab und nach diesmal nur 8 Stunden Fahrt ist das Ziel Ulan Ude auch schon erreicht. Ulan Ude ist die Hauptstadt der Republik Burjatien. Ein drittel der Bevölkerung sind ein mit den Mongolen verwandtes Volk. Hier hat man zum ersten Mal den Eindruck in Asien angekommen zu sein. Im Stadtkern fällt ein aus Granit gefertigter, etwa 5 Meter großer Leninkopf auf. Der war nach einer Weltausstellung in Kanada von den Sovjets übrig und man hatte keine Verwendung mehr für ihn – also ab damit nach Sibirien. Untergekommen bin ich hier im UUHostel.
Donnerstag, 10.07.2014 – Von Ulan Ude nach Ulan Bator
Ab heute Nachmittag hat der Rubel ausgerollt – es geht in die Mongolei und da wird mit “Tögrög” gerechnet. Auch das Russisch lernen ist nun endlich vorbei. Hoffe, das wenig gelernte bleibt möglichst lange hängen. Die Entfernung nach Ulan Bator ist weniger als 700 km aber die Fahrt soll bis zu 24 Stunden dauern. Grund sind die ewig langen Grenzabfertigungen sowohl auf der russischen als auch auf der mongolischen Seite. Um 7:24 Uhr wie immer pünktlich verläßt der Zug den Bahnhof von Ulan Ude. Leider gibt’s auf der grenzüberschreitenden Strecke keine “Platskart” (3. Klasse) da es die nur innerhalb Rußlands gibt. Also muss ich 2. Klasse nehmen. Das sind geschlossene 4-Bett Kabinen. In meiner Kabine liegen noch zwei ältere deutsche Frauen einer 6-köpfigen Reisegruppe und ein junger Puerto-Ricaner. Bis zur russischen Grenze in Nauschki fährt der Zug etwa 6 Stunden. Dann müssen alle raus aus den Wagen ins Bahnhofsgebäude und die erste große Warterei heute beginnt. Geschlagene 5 Stunden passiert nichts. D.h. es wurde lediglich die Lok und die Wagen der 3. Klasse entfernt. Unsere drei Personenwagen stehen herrenlos an Bahnsteig 1. Nach den 5 Stunden Warten dürfen wir tatsächlich wieder rein in die Wagen und es kommt ne Rangierlok und hängt uns an. Anschließend kommen doch tatsächlich in kurzen Zeitabständen vier verschiedene russische Grenzbeamte um die Pässe zu kontrollieren. Die letzte Beamtin sammelt die dann ein um sie später abgestempelt zurückzubringen. Nicht jedoch bevor die Zollbeamtin die Wagen kontrolliert hat. Ihr folgt noch der Drogenspürhund. Dann endlich schiebt die Lok die drei Wagen wenige Kilometer weiter rüber in die Mongolei wo rechts und links der Wagen je vier Soldaten salutieren – das nenn ich mal ne angebrachte Begrüßung! Wenige Kilometer weiter an der mongolischen Immigration ist dann erstmal Stop und die zweite große Warterei heute beginnt. Eine mongolische Grenzbeamtin macht Personenkontrolle im Zug und sammelt die Pässe ein. Seit letztem Jahr benötigt man kein Visum mehr für die Mongolei; das bekommt man an der Grenze. Raus dürfen wir nicht. Auch die Mongolen schicken später ihren “Bello” durch die Wagen um nach möglichen Drogen zu suchen. Die Mongolen sind immerhin 2 Stunden schneller als die Russen, d.h. wir warten hier nur 3 Stunden bevor unsere 3 Wagen an einen mongolischen Zug angehängt werden. Der bringt uns dann über Nacht bis nach Ulan Bator, der Hauptstadt der Mongolei.
Freitag, 11.07.2014 – Naadam Festival in Ulan Bator
Frühmorgens um 4:30 Uhr werden wir von der Schaffnerin aus den Betten geworfen – letzte Möglichkeit für den Toilettengang bevor diese wieder abgeschlossen werden. Um sechs Uhr läuft dann der Zug in Ulan Bator ein. Zu meiner Verwunderung steht am Bahnsteig schon ein Mongole vom Top-Tour-Guesthouse der mit nem Zettel winkt auf dem mein Name schön säuberlich ausgedruckt ist. Habe das Hostel vor 2 Tagen gebucht aber nicht gesagt wann ich ankomme. Das haben die wohl so herausbekommen, guter Service jedenfalls am Bahnhof abgeholt zu werden. Im Schlepptau habe ich noch meinen Puerto Ricaner, David, denn der hat auch noch keine Bleibe hier. Er zieht doch tatsächlich schon seit einem Jahr um die Welt und will ein weiteres dranhängen! Die Unterkünfte hier sind höchstens halb so teuer wie in Rußland, und ein Frühstück gibt’s obendrein. Spätesten jetzt ist man hier in Asien angekommen. Nichts erinnert mehr an Europa oder Rußland.
Ulan Bator oder kurz auch UB genannt hat heute etwa 1 Million Einwohner. Damit lebt hier ungefähr ein drittel der Bevölkerung der Mongolei. Am Stadtrand teilweise sogar noch in Jurtensiedlungen, der runden Zelte die man hier “Ger” nennt. Jurten sagen eigentlich nur die Russen zu diesen Zelten. Die Stadt liegt auf 1300 Metern Höhe und wird von über 2000 Meter hohen Bergen umgeben. Wegen der hohen Talkessellage wird es hier im Winter im Mittel sogar kälter als in Sibirien (-25 Grad).
Warum ich aber unbedingt heute schon in Ulan Bator sein wollte ist das jährlich von 11.-13. Juli stattfindende Naadam Festival. Das sind die Olympischen Spiele der mongolischen Nomaden. Gleich nach dem Frühstück im Hostel machen sich David und ich auf zum Government House wo das Fest mit Pauken und Trompeten eröffnet wird. Anschließend folgt ein Umzug durch die Stadt zum Stadion. Dort findet die Eröffnungs-Zeremonie statt. Das alte, baufällige Stadion ist natürlich schon Wochen ausverkauft. Es fasst höchstens 20000 Zuschauer. Aber in der Mongolei ist es auch nicht anders als bei uns daheim, es blüht der Schwarzmarkt. Nach langem, zähen verhandeln kann ich dann doch ne Karte erstehen die jedoch 5 mal teurer ist als normal. Aber wenn die dann anstatt 3 Euro, 15 kostet kann man das schon mal verschmerzen. Am Anfang wird artig die Nationalhymne gesungen. Damit die auch jeder mitsingt ist der Text auf der Rückseite der Eintrittskarte abgedruckt. Den kennt hier wohl nicht jeder. Die Dame links von mir musste ablesen. Hat sich jedenfalls gelohnt da reinzukommen. Es werden pompöse Aufführungen und traditionelle Tänze mit großartigen Kostümen dargeboten. Rechts von mir sitzt ein Mongole der gut englisch spricht (die sprechen generell besser englisch als die Russen). Der nimmt meine Kamera, fährt den Zoom aus und macht ein Bild von der Haupttribühne. Anschließend zeigt er mir auf dem Bild den Premierminister und den Präsidenten des Landes – die kannte ich bislang nicht. Nach der Eröffnung finden hier im Stadion die Ringer-Wettbewerbe statt. Gleich nebenan in einem kleineren Stadion kann man das Bogenschießen beobachten.
Am Abend in einer Kneipe mache ich noch die Bekanntschaft von zwei interessanten, deutschen Paaren. Die einen fahren mit einem umgebauten LKW und nem Wohnwagen auf der Pritsche um die Welt, die anderen beiden sind mit dem Motorrad von Deutschland hierhergefahren. Da kann ich natürlich nicht mithalten. Spätabends lassen die Mongolen aufgrund der Festlichkeiten noch ein “Höllenfeuerwerk” abbrennen. In der Größe und Intensität habe ich so ein Feuerwerk noch nie gesehen. Die haben wohl alle Feuerwerskörper der Chinesen abgekauft.
Samstag, 12.07.2014 – Naadam Festival in Ulan Bator
Zu den mongolischen olympischen Spielen gehören natürlich auch Reiterwettbewerbe, genauer gesagt Pferderennen. Die finden ab heute etwa 30 km außerhalb der Stadt statt. Man kommt auch mit dem öffentlichen Bus günstig dorthin. Dass die Mongolen die Busse bis zum Anschlag mit Menschen “vollpferchen” hätten wir nicht gedacht. Und dass die Fahrt anstatt einer Stunde fast zwei Stunden dauert auch nicht. Die Fahrt hat jedenfalls keinen Spass gemacht. Die Pferderennen dagegen schon mehr. Hier draußen haben die Nomaden auf einem riesigen Areal ihre Jurten aufgebaut um an den Wettbewerben teilzunehmen. Dazu kommen noch zig tausende Besucher. Tolles Spektakel!
Sonntag, 13.07.2014 – Ruhetag in Ulan Bator
Muss heute dringend mal nen Ruhetag mit weniger Aktivitäten einlegen. Immerhin steht das Finale der Fussball-WM bevor und da sollte man gut vorbereitet sein. Am Spätvormittag laufe ich dann doch die anderthalb Kilometer zum Gandan Kloster dem Zentrum des mongolischen Buddhismus. Die größere Tempelanlage ist nach tibetischem Vorbild gebaut, denn der Ursprung des mongolischen Buddhismus stammt aus Tibet.
Ne gute Woche will ich schon noch in der Mongolei bleiben um wenigstens einen Teil des Landes zu sehen. Denn der Reiz der Mongolei liegt nicht in Ulan Bator sonder in der Natur und der einmaligen Landschaft. Da mein TopTour Guesthouse nicht genügend Leute für ne Tour morgen früh hat, buche ich eine die 6 Tage dauert im Golden Gobi Hostel.
Montag, 14.07.2014 – Deutschland gegen Argentienien 1:0 !!!
Zur unchristlichen Zeit um zwei Uhr in der Früh heißt es heute Aufstehen. Denn das WM-Finale beginnt Ortszeit drei Uhr. Mit nem holländischen Paar zusammen schaue ich mir das im Irish Pub, zwei Häuserblocks weiter, an. Die haben draußen ein großes Zelt aufgebaut und ne riesige Videoleinwand. Als wir ankommen ist es schon “proppevoll”. Ziemlich vorne können wir uns jedoch noch dazwischendrängen. Das Public Viewing in der Mongolei läuft genauso wie bei uns daheim ab. Und die allermeisten Mongolen drücken uns Deutschen die Daumen. Da ist es für mich mit meinem Deutschlandtrikot leicht, schnell Freunde und Gleichgesinnte zu finden. Selbst die beiden Holländer halten zu uns. Die Argentinier werden schon bei der Nationalhymne ausgepfiffen. Und es hat wohl auch was gebracht: 1:0 -> Weltmeister !!! Mehr als 2 Bier will ich mir jedoch nicht genehmigen denn die Tour durch die Zentralmongolei startet um 8:30 Uhr.
Mit wenig Schlaf stehe ich pünktlich um halb neun mit Gepäck vor dem Golden Gobi. Keine fünf Minuten später geht’s auch schon los. Mit von der Partie ist die Schweizerin Sarah (die kenne ich schon vom Baikalsee) und deren ungarischer Freund Eda. Außerdem die mongolische Reiseleiterin Zara und ein Fahrer mit unaussprechlichem Namen. Die Fahrt führt westwärts raus aus der Stadt in die mongolische Steppe, in das Khöngnö Khan Uul Nature Reserve. Befestigte Straßen gibt es kaum in der Mongolei. Einen Highway nach Süden zu den Chinesen und einen nach Westen. Von Highway kann man bestenfalls 100 km weit reden. Danach wird die Straße löchrig und schlecht. Schlaglöchern muss unser Fahrer im Schritttempo ausweichen. Die erste Nacht verbringen wir bei einer einheimischen Famile in einer seperaten Jurte (bzw. Ger wie das die Mongolen nennen). Auf dem Programm steht heute noch ein Kamelritt durch die Semi-Gobi Wüste. Das ist ein 80 km langer, nur ein Kilometer breiter Sanddünenabschnitt gleich hier “um die Ecke”. Die eigentliche Wüste Gobi befindet sich ganz im Süden an der Grenze nach China. Für die habe ich leider keine Zeit.
Dienstag, 15.07.2014 – Durch die mongolische Steppe
Da wir den Highway schon gestern verlassen haben führt die Fahrt heute stundenlang über unbefestigte, holprige Naturstraßen durch die grüne mongolische Steppe weiter nach Westen. Vorbei an hunderten von Ger’s und zahllosen Schaf-, Ziegen-, Yak- und Pferdeherden ist das Ziel der Orkhon Khürkree Nationalpark. Auch hier kommen wir wieder in einem Ger einer Nomadenfamilie unter. In den Ger’s wohnen die nur während der Sommermonate von Mai bis September. Ihr Winterquartier ist ein richteiges Haus in einem Dorf. Die Hirten und Cowboys hier haben sich auch schon an das moderne Leben angepaßt. Viel Treiben die Herden nicht mehr auf dem Rücken von Pferden zusammen sondern auf dem Rücken von chinesischen Motorrädern. Auch das Fernsehen hat über Photovoltaik und Autobatterien schon Einzug in viele Jurten gefunden. Ganz zu schweigen vom Mobilfunkempfang – ein Handy hat auch schon jeder.
Unsere heutige Gastfamilie hat drei weitere Jurten eigens für Touristen. Die sind heute Nacht aber schon alle belegt. Da wandert die 6-köpfige Familie kurzerhand in Zelte aus und überläßt uns deren Betten in ihrem Wohnzimmer. Das nenn ich mal Gastfreundschaft! Das hat auch den Vorteil, daß wir abends mit denen zusammensitzen und auch bei der Herstellung von Käse und Yoghurt zuschauen können. Probieren sollte man hier unbedingt das Lieblingsgetränk der Mongolen, vergorene Stutenmilch. auch wenn’s scheußlich schmeckt. Der Yakmilchtee dagegen ist hervorragend. Da greife ich gleich zwei Mal zu. Yak’s sind die langen, zottigen Kühe die es vor allem auch in den Bergregionen des Himalaya gibt. Eine Ger (Jurte) hat einen Durchmesser von etwa 8 Metern. Sie ist Wohnzimmer, Schlafzimmer und Küche in einem. Man sollte nicht glauben was da so alles reingeht. Seitlich stehen zwei Betten, hinten ein Schrank mit einem buddhistischen Schrein und einem Bild des Dalai Lama drauf und dazwischen verteilt diverse Kommoden, Kochgeschirr, Waschplatz und natürlich eimerweise Milch und Käse. In der Mitte ein kleiner Tisch mit Hockern und der Ofen mit Kaminrohr der gleichzeitig als Herd dient. Geschlafen wird mit der Kopfrichtung zum Schrein denn man sollte NIE dem Buddha die blanken Fußsohlen zeigen.
Mittwoch, 16.07.2014 – Ausritt in die mongolische Steppe
Da angeblich das größte Glück der Erde auf dem Rücken der Pferde liegt und es hier nur so von Vierbeinern wimmelt, werden wir heute Vormittag zu dem 3 km entfernten Uraantsatgahn Wasserfall ausreiten. Zunächst erfolgt jedoch eine schriftliche Einweisung des Reitens. Wir müssen in englischer Sprache die 10 wichtigsten Reglen durchlesen und nach Möglichkeit auch befolgen. Als Guide haben wir den 14-jährigen Sohn und die 16-jährige Tochter unserer Gastfamile. Da Sarah und Eda genausowenig Erfahrung im Reiten haben wie ich (bin erst 2 Mal auf nem Pferd gesessen) nehmen unsere beiden mongolischen Guides unserer Pferde zunächst an die Leine. Nach einem Kilometer Eiingewöhnungszeit wird die Leine losgelassen und wir sind auf uns selbst, und vor allem unsere Pferde, angewiesen. Nach ner Weile funktioniert das mit dem Lenken, Bremsen und Gas geben ganz gut. Zum Beschleunigen gibt man ihm die Hacken und schreit “Tschut Tschut”. Zum Anhalten kräftig an den Zügeln ziehen. Auch ein “Brrrrr” hat nicht geschadet. Ein “ruhig Brauner” hat er jedoch nicht verstanden.
Den Wasserfall des Orkhon hätte ich an einem Berg vermutet. Der tut sich jedoch plötzlich in der Steppenebene auf und fällt etwa 40 Meter tief in einen Canyon. Man kann seitlich hinabsteigen und im See des Wasserfalls baden wenn man die maximal 15 Grad Wassertemperatur aushält. Hatten wir für den Hinweg noch 1,5 Stunden benötigt brauchen wir für die Strecke zurück nur die halbe Zeit. Vor allem mein Gaul hat es wohl besonders eilig zum Mitagessen daheim zu sein. Den muss ich immer wieder bremsen weil er ständig vom Trab in den Galopp fällt. Ist jedoch ein tolles Erlebnis wie einst Dschingis Khan über die mongolische Steppe zu Reiten.
Den freien Nachmittag nützen wir für eine 4-stündige Wanderung auf einen der umliegenden Berge. Von hier oben hat man ne tolle Aussicht auf das Hochtal des Orkhon Flusses. Die durchschnittliche Höhe über dem Meeresspiegel beträgt immerhin 1500 m in der Mongolei.
Nach so einem langen Tag ist man natürlich total verschwitzt und eingestaubt. Von dem Pferdegeruch ganz zu schweigen. Duschen gibt’s hier selbstverständlich keine. Aber man kann sich im klaren Wasser des vorbeifließenden Orkhon Flusses waschen. Zum Baden ist der viel zu kalt, aber zum Bier kühlen hat er genau die richtige Temperatur. Denn Kühlschränke haben die hier natürlich auch keine.
Donnerstag, 17.07.2014 – Tuvkhen Monastry & Hot Springs
Heute heißt es Abschied nehmen von der netten Nomadenfamilie bei denen wir zwei Tage zu Gast waren. Das Ziel ist zunächst der Shiveet-Ulaan Berg im Khangai Gebirge. Die Fahrt dorthin dauert etwa 3 Stunden. Wieder über unbefestigte Steppenpisten. Um dorthin zu kommen müssen wir auch den Orkhon Fluss überqueren. Aber die einzige Brücke weit und breit ist teilweise eingestürzt und nicht passierbar. Ein Stück weiter flussabwärts ist eine Furt. Unser Fahrer traut der Wassertiefe jedoch nicht. Also warten wir bis eine Weile später von der anderen Seite ein Jeep mit Einheimischen den Fluss überquert. Der Dreiviertelmeter Tiefe sollte für uns auch kein Problem sein, und unser vierradgetriebener Mitsubishi “Chamonix” schafft das glücklicherweilse unter tosendem Applaus, ohne dass wir nasse Füße bekommen.
Auf dem heiligen Shiveet-Ulaan Berg liegt das buddhistische Tuvkhen Kloster das auf Anweisung von Zanabazaar, einem direkten Nachfolger von Dschingis Khan im Jahre 1653 gebaut wurde. Es gilt als eine der heiligsten Stätten der Mongolei. Am fuß des Berges muß man das Auto stehen lassen und die 3 km zu Fuß hinauflaufen. Ne schöne Klosteranlage mit Meditationshöhlen und eine umwerfende Sicht auf das umliegende Khangai Gebirge von hier oben.
Die Nachmittagsetappe führt über weitere drei Stunden durch saftige, kniehohe Blumenwiesen. Unser Fahrer, dessen Namen ich mir nicht merken kann, muß öfters anhalten und nach dem richtigen Weg fragen. Er ist ein lustiger Geselle und lacht gern und viel. Ernst wird er nur vor der Durchquerung von Flüssen oder morastigen Stellen. Wenn wir hier stecken bleiben oder einen technischen Schaden hätten, hätten wir ein echtes Problem. Denn hier kommen nur gelegentlich Fahrzeuge vorbei. Das Tagesendziel heute sind die Heißen Quellen von Tsenkher. Eine erfrischende Abwechslung bei abendlichem Sonnenschein in einem dampfenden Pool zu liegen mit der einmaligen Kulisse der mongolischen Berge.
Freitag, 18.07.2014 – Karakorum
Unser heutiges Ziel ist Karakorum, die mittelalterliche Hauptstadt der Mongolei. Dazu wurde sie 1220 von Dschingis Khan ernannt. Sie war damals eine kosmopolitische Stadt mit mongolischen, chinesischen, tibetanischen, indischen und persischen Einwohnern. Außerdem lebten französische, deutsch und russische Kriegsgefangene hier. Nach nur 40 Jahren wurde dei Hauptstadt unter Kublai Khan nach Peking verlegt. Zu sehen ist von der früheren Stadt nichts mehr. Was sich hier zu besuchen lohnt ist das “Erdene Zuu Khid Monastry”, das erste buddhistische Kloster der Monolei aus dem Jahre 1586. Wegen schlechtem Wetter verlegen wir die Aktivität nach Drinnen und besuchen das hiesige Museum – die Geschichte der Mongolei.
Untergebracht sind wir heute Nacht wieder in einer Ger bei einer Nomadenfamilie. Wegen der Kälte wird es heute Abend mit dem Ofen beheizt. Der billigste Brennstoff ist jedoch nicht Holz sondern getrockneter Dung der vielen Herdentiere. Das stinkt tatsächlich nicht und brennt erstaunlich gut.
Samstag, 19.07.2014 – Hustai Nationalpark
Das Wetter ist heute genauso schlecht wie gestern – Regen. Auf der Rückfahrt nach Ulan Bator, oder “UB” wie hier alle sagen, machen wir noch einen Abstecher in den Hustai Nationalpark. Dort kann man wilde Pferde beobachten. Die sollen angeblich 2 Chromosomen mehr haben als andere. Die Pferde habe ich gesehen, von den Chromosomen jedoch nichts. Außer nasse Füsse nichts gewesen. Nachmittags um fünf ist dann Ende der sehr interessanten Tour. Mit nem Trinkgeld verabschiede ich mich von unserem Guide Zara und dem Fahrer (dessen Namen ich immer noch nicht kenne). Positiv zu erwähnen ist, daß die Jungs von der Rezeption des Golden Gobi Hostels es doch tatsächlich geschafft haben, mir heute ein Ticket für die Transsib morgen früh nach Peking zu besorgen! Denn die Transsib kommt von Moskau und fährt nur Sonntags diese Strecke. Außerhalb Russlands kommt man nur einen Tag vor Abfahrt an die noch übrigen Tickets ran. Heißt für mich, heute Abend wieder ab in den Supermarkt und Essen für anderthalb Tage Zugfahrt kaufen.
Sonntag, 20.07.2014 – Von Ulan Bator nach Peking
Heute steht die letzte große Etappe der Reise an: Von Ulan Bator in der Mongolei nach Peking in China. Die zurückgelegten Bahnkilometer von Moskau nach Ulan Bator waren 6305. Die letzte Fahrt dauert laut Plan 29 Stunden. Eigentlich nicht mehr erwähnenswert pünktlich um 7:15 Uhr fährt der Transsib Zug ab. Der ist fast voll besetzt. Habe im letzten Wagen noch nen Platz bekommen. Auch diesmal muß ich Coupe fahren (4-Bett Kabinen) da es auf internationalen Zügen keine Platzskart (3. Klasse) gibt. Mit mir im Abteil sitzen noch drei Mongolen von denen die beiden jüngern sogar englisch sprechen. Wie sich später herausstellt ist der ältere Herr der Präsident des mongolischen Shamanismus der mit seinem Sohn und seiner Schwiegertochter unterwegs ist. Die klären mich auch auf was es mit dem Shamanismus auf sich hat – was für Leute man alles trifft!? Meine Mongolen versorgen mich auch gleich mit selbstgemachten mongolischen Köstlichkeiten. Da hätte ich gar nichts einkaufen müssen.
Nach 2-3 Stunden Fahrt ändert sich die Landschaft. Die saftigen grünen Wiesen weichen einer kargen Steppenlandschaft die später in die Ausläufer der Wüste Gobi übergeht. Hügel sieht man keine mehr. Das Gelände ist topfeben. Die Wüste Gobi ist die nördlichste Wüste der Erde und hat die Größe von Westeuropa. aber nur 2% sind mit Sanddünen bedeckt. Der Temperaturbereich schwankt von minus 30 Grad im winter bis plus 40 Grad im Sommer. Alle Reiseveranstalter in Ulan Bator bieten Touren dorthin an. Aber dazu hätte ich noch ne Woche hier in der Mongolei dranhängen müssen.
Die Eisenbahnstrecke bis zur Grenze ist einspurig und nicht elektrifiziert, d.h. nur rußende und stinkende Dieselloks kommen zum Einsatz. Dieser Abschnitt der Transsib wurde erst 1955 von den Chinesen und den Sovjets gebaut. Um halb fünf nachmittags verteilt der chinesische Schaffner die Zollerklärungspapiere für die Mongolei. D.h. wir sind nicht mehr weit von der Grenze entfernt. Um 18:50 Uhr erreicht der Zug den mongolischen Grenzort Dzamynude. Eine mongolische Grenzbeamtin geht durch den Zug, macht Personenkontrolle und sammelt die Pässe ein. Raus darf keiner. Gleich anschließend gehen zwei Zollbeamte durch den Zug, kontrollieren das Gepäck und sammeln die Zollerklärungen ein um sie später wieder zurückzugeben.
Ähnlich wie an der Grenze von Russland zur Mongolei beginnt jetzt das große Warten. Gute Gelegenheit für ein Nickerchen denn die Nacht an der chinesischen Grenze wird wohl lang. Beim Verlassen des mongolischebn Staatsgebietes stehen wieder Soldaten salutierend da – bei den Chinesen nicht. Die kommen anschließend am Grenzort Erlian in den Zug, machen auch Gepäckkontrolle und sammeln alle Pässe wieder ein. Und ein weiteres mal beginnt das große Warten. Anderthalb Stunden später bekommmt man die Pässe zurück. Doch an eine Weiterfahrt ist noch nicht zu denken. Es muß zunächst ein technisches Problem behoben werden. Denn in Russland und der Mongolei fahren die Züge mit 5 Fuss Spurbreite (1,5m), in China wie sonst in der Welt ist die geringfügig kleiner. Es werden jedoch nicht wie vielleicht erwartet die Passagiere in andere Züge “verladen” sondern die Fahrwerke der Wagen ausgetauscht. Dazu werden die in besonders dafür vorgesehene Umspurhallen rangiert und voneinander abgehängt. Nach dem Lösen der Schrauben werden die Wagen hydraulisch hochgehoben und in einer zweiten Schiene die kleineren Fahrwerke untergeschoben. Zuletzt die Wagen ablassen und mit dem neuen Fahrwerk verschrauben. Die ganze Prozedur daurt ca. 1,5 Stunden. So was hab’ ich auch noch nicht gesehen!
Montag, 21.07.2014 – Ankufnt in Peking
Bis zur Ankunft in Peking hält der Zug noch in Jining und in Zhangjiakou. Vom Die letzte Stunde vor Ankunft sollte man unbedingt am Fenster verweilen denn die Aussicht ist grandios. Die Fahrt führt durch das Yongding Flusstal an dessen Seiten die schroffen Berge ein tolles Panorama bilden. Nach exakt 7865 Kilometer ab Moskau durch die Mongolei erreiche ich mein Endziel Peking um 11:30 Uhr mittags. Hier muss ich mich zunächst durch die Menschenmassen wühlen um zum Ausgang des Bahnhofsgebäudes zu gelangen. Chnesisches Geld (Yuan) habe ich auch noch keines und kein Geldautomat in Sicht. Also das Gepäck zur nächsten Bank schleppen. Doch die Beijing Bank akzeptiert meine Kreditkarten nicht, d.h. ich muss erstmal muss erstmal mühsam Euro in Yuan wechseln. Auf der Bank bedeutet das unzählige Formulare ausfüllen, Pass vorzeigen, etc. etc. Aber auch das irgendwann hat funktioniert. Nächste Hürde: das Hostel finden. Habe ne Wegbeschreibung aber nur einen chinesischen U-Bahn-Plan. Nach über ner Stunde und mehrmaligem Umsteigen hab’ ich’s dann doch gefunden, das “Chinese Box Courtyard Hostel”. Das liegt um die Ecke der XISI U-Bahn Station in einer Hutong Gegend. Hutongs sind traditionelle chinesische Unterkünfte entlang kleiner Gassen in deren Mitte sich eine Art Hof befindet. Man könnte auch Wohnhöfe dazu sagen. Die Wahl dieses Hostels war genau richtig. Denn die Rezeption spricht gut englisch und ist sehr hilfsbereit. Auch die Deluxe Version des Dorms zu wählen war richtig. Denn die hat Klimaanlage und das ist derzeit hier kein Fehler. Denn die Luftfeuchtigkeit ist sehr hoch und die Temperaturen weit über 30 Grad. Auch das Frühstück ist hier inbegriffen.
Ansonsten ist heute Nachmittag Ruhetag angesagt.
Dienstag, 22.07.2014 – Stadtrundgang und Platz des himmlischen Friedens
Heute muss ich mir zunächst mal nen Überblick über das Stadtzentrum Pekings machen. Und das ist riesig. Das kann man nicht so einfach zu Fuss ablaufen. Aber es gibt ja noch die große, sehr gut funktionierende U-Bahn. Und wenn man einen Plan hat, den ich jetzt endlich habe, kommt man auch gut damit zurecht. Denn die Beschilderung ist sowohl in chinesischer als auch in englischer Sprache.
Der erste Halt ist am Tian\u2019anmen-Platz, zu deutsch “Platz des himmlischen Friedens”. Der wird als größter befestigter Platz der Welt bezeichnet. Negativ bekannt wurde der Platz 1989 als hier Studenten für mehr Freiheit und Demokratie protestierten und der Aufstand blutig niedergeschlagen wurde. Hier hat seinerzeit schon Mao seine Paraden abhalten lassen. Sein Bild hängt auch überlebensgroß am an der Nordseite stehendem Tian\u2019anmen Tor. Dahinter beginnt dann die Verbotene Stadt. Am südlichen Ende des Platzes steht das Mausoleum des Mao Tse Tung. Das ist jedoch heute geschlossen. Noch weiter südlich eine belebte Fussgängerzone.
Will man einen Blick auf das Areal der verbotenen Stadt werfen so kann man das am Besten vom dem nördlich davon gelegenen Jingshan Tempel tun. Denn der liegt auf einem kleinen Berg.
Mittwoch, 23.07.2014 – Die Verbotene Stadt & Tempel of Heaven
Heute Vormittag nehme ich mir die Verbotene Stadt, der frühere Kaisersitz, vor. Man kommt mit der U-Bahn ganz gut dorthin. Bin früh unterwegs, aber nicht früh genug. Denn schon strömen tausende von Chinesen dorthin. Daß das Gelände groß ist wusste ich schon, daß es aber SO groß ist hätte ich nicht gedacht. In Nord-Süd Richtung sind es fast einen Kilometer, in Ost-West fast 800 Meter. Gebaut wurde sie 1406-1420 in der Qing und Ming Dynastie und danach sukzessive erweitert und renoviert. Die Anlage besteht aus sehr vielen Toren, Hallen, Tempeln und anderen Gebäuden. Angeblich soll es hier 9999 Räume geben. Habe sie nicht gezählt. Jedenfalls hat hier der letzte Chinesische Kaiser Pu Yi bis zu seiner Abdankung 1906 regiert. Jetzt regieren hier nur noch die zehntausende von chinesischen Touristen die die Stadt täglich wie Ameisen überrennen, überall posieren und sich fotografieren lassen. Es ist praktisch unmöglich hier ein ruhiges Plätzchen zu finden. Von des 17 Millionen Einwohnern Pekings sind bestimmt die Hälfte heute in der Verbotenen Stadt. Nach drei Stunden habe ich so ziemlich alles abgelaufen und fotografiert – jetzt aber nix wie raus hier, weg von den vielen Chinesen.
Den Nachmittag des Sightseeing Tags verbringe ich größten Teil im “Tempel of Heaven”, ein Stück südlich des Tian\u2019anmen-Platzes. Eine Tempelanlage inmitten eines Parkes gebaut nach der Ming-Architektur. Gehört zu dem was man gesehen haben sollte.
Und weil ich schon unterwegs bin schaue ich auch gleich noch den Lama Tempel an. Das ist der wichtigste buddhistische Tempel in China außerhalb Tibets. Den gegenüberliegenden Tempel des Konfuzius gebe ich mir nicht mehr. Für heute reichts.
Donnerstag, 24.07.2014 – Sommerpalast
Das heutige Sightseeingziel ist der Sommerpalast der früheren chinesischen Kaiser am nördlichen Stadtrand. Die entflohen immer in den heißen Sommermonaten hierher. Kann ich gut nachvollziehen. Die U4 bringt mich in 40 Minuten hin. U-Bahn Fahren ist echt günstig hier. Für eine Fahrt egal wie lange, egal wie oft umsteigen kostet derzeit 2 Yuan, also etwa 23 Cent. Die Palastanlage ist auf einer Insel des 3 km großen Kunming Sees gebaut und dient auch als Naherholungsgebiet der 17 Millionen Einwohner Pekings. Mir kommt es so vor, als wäre mindestens jeder zehnte heute hier: Es gibt definitiv zu viele Chinesen!
Freitag, 25.07.2014 – Radtour & Badaling
Heute ist endlich mal wieder schönes Wetter. Heiß war es zwar immer, aber wenn die Sonne scheint ist halt alles viel schöner. Auch wenn es ziemlig diesig ist. Miete mir vom Hoste für 20 Yuan ein altes chinesisches Rad und fahre zunächst nochmals zum Jingshan Park um wie vorgestern Abend den tollen Blick auf die verbotene Stadt genießen zu können. In Peking gibt es überall breite, gut ausgebaute Radwege auf denen auch Mopeds fahren dürfen. Die sind hier wegen der Abgase zumeist elektrisch betrieben. Von Smog ist derzeit keine Spur. Angeblich soll das Problem im Winter größer sein als im Sommer. War jedenfalls positiv überrascht hier die Sonne zu sehen nach all den Horrornachrichten über die Umweltverschmutzung. Wovor man sich in acht nehmen muss ist beim Überqueren der Straße. Denn selbst bei grüner Fussgängerampel halten die Chinesen nicht. Geschweige denn beim Überqueren eines Zebrastreifens. Da waren die Russen anders. Die hielten immer artig.
Und weil man mit dem Rad so gut und so schnell vorwärts kommt, ist der nächste Halt nochmals am Tiananmen Square, dem Platz des Himmlischen Friedens. Wer hier heute Frieden sucht ist fehl am Platz. Denn der Platz “platzt” förmlich aus allen Nähten, so viele Chinesen sind heute unterwegs. Und wieder wird klar: Es gibt definitiv zu viele Chinesen.
Auf dem Heimweg der Radtour am Vormittag noch ein letzter Stop am Beihai Park. In dessen Mitte ist ein etwa 1 km großer, schön angelegter See auf dem die Chinesen scharenweise Tretbootregatta fahren – also wieder kein ruhiger Platz. Hier soll früher vor dem Bau der verbotenen Stadt die Residenz von Kublai Khan, dem Nachfolger Dschingis Khans, gewesen sein.
Von der Schwierigkeit in China an eine Fahrkarte zu kommen
Gegen Mittag nehme ich die U4 nach Xizhimen, der Station neben dem Nordbahnhof. Das Nachmittagsziel ist die Chinesische Mauer. Es gibt mehere restauerierte und (noch) nicht restaurierte Abschnitte der Mauer. Der bekannteste, zu Peking nächste und meist besuchte Abschnitt ist nur 70 km nördlich in Badaling. Und dahin gibt’s direkt ne Eisenbahn. Grade weil der so touristisch ist will ich den erst am Spätnachmittag ansehen wenn (hoffentlich) die meisten Chinesen schon wieder auf dem Heimweg sind. An ein Zugticket zu kommen sollte nicht allzu schwierig sein. Habe den chinesischen Fahrplan vom Internet auf’s Smartphone geladen um das am Schalter vorzeigen zu können. Denn mein Chinesisch beschränkt sich auf 5 Worte. Also stelle ich mich an der kürzesten Schlange an. Als ich dran bin zeige ich wohin ich fahren möchte. Der Beamte hinterm Schalter schickt mich zur rechten der 6 Warteschlangen. Also warte ich artig dort. Nach ner Viertelstunde bin ich endlich dran und zeige wieder mein Ziel mit dem Handy. Der Typ hinter dem Schalter zeigt aber ummißverständlich auf Reihe 3. Jetzt werde ich langsam ärgerlich und stelle mich wieder hinten an. Nur gut, daß die Chinesen meine deutschen Schimpfworte nicht verstehen. Ne weitere Viertelstunde später bin ich ENDLICH wieder vorne, diesmal an Reihe 3. Die Dame erklärt mir jedoch in schlechtem englisch zu meinem Entsetzen daß die Fahrkarten nach Badaling Draußen auf der rechten Seite in einem “roten Haus” verkauft werden. Wenn keine Scheibe zwischen uns gewesen wäre hätte ich sie wahrscheinlich gewürgt. Stattdessen marschiere ich raus, kann aber weit und breit kein Haus entdecken, geschweige denn ein rotes. Aber einen blauen Schalter gibt es und dort steht tatsächlich ein Schild mit den Abfahrtszeiten meines Zuges. Und wie sich herausstellt ist es im 4. Anlauf der richte Schalter (ich war eh fast alle durch). Das Beste an der Geschichte ist, daß die Fahrkarte nur 6 Yuan kostet, also etwa 70 Cent. Und den gewünschten Zug habe ich auch noch bekommen.
Badaling
Die Mauer von Badaling erstreckt sich über viele Kilometer einer bewachsenen, bis zu 1000 m hohen Bergkette nordwestlich von Peking. Dieser Teil wurde während der Ming Dynastie (1368-1644) gebaut und in den 1950er und 1980er Jahren erheblich restauriert. Sie ist 6 Meter breit und punktuell mit Wachtürmen bestückt. Am schnellsten kommt man mit der Seilbahn rauf. Trotz des Spätnachmittags tummeln sich immer noch viele Touristen hier herum. Aber das verläuft sich in dem riesigen Areal. Der kleine Bahnhof in Badaling hat nur 2 Gleise und einen Fahrkartenschalter. Die Odyssee von heute Mittag bleibt mir also bei der Rückfahrt erspart.
Samstag, 26.07.2014 – Fahrt nach Jinshanling
Nach nunmehr 5 Tagen in Peking muß ich dringend mal raus aus der Stadt. Als 2-Tages Ziel habe ich mir Jinshanling, 120 km nördlich vorgenommen. Dort gibt es einen weniger touristisch erschlossenen Teil der chinesischen Mauer. Habe übers Internet “The Great Wall Box House” gemietet. Die haben gute Referenzen und eine erstklassige Beschreibung wie man hierherkommt (mit Bildern und Text in englisch und chinesisch). Der Bus 980 bringt mich zunächst in die Kleinstadt Miyu. Aber auf den lokalen Bus 25 der eigentlich stündlich fahren sollte muss ich fast 2 Stunden warten. Habe die Aktione schon fast aufgegeben als der doch noch angefahren kommt. Der ist zwar schon bis zum Anschlag voll, aber ich muss da noch rein. Aus dem Lautsprecher kling “Brother Loui” von Modern Talking. Na die haben’s auch schon bis ins letzte Eck nach China geschafft! Aus einer 3-stündigen Anreise wird dann doch ne Halbtagesfahrt. Meine Unterkunft, das “Great Wall Box House” im Örtchen Gubeikou, jedoch ist ne schöne Anlage.
Das 100 Jahre alte Si-He-Yuan Haus liegt am Ortsrand umgeben von 700 Meter hohen Bergen. Der östliche Teil des Hauses ist ein Teil der Chinesischen Mauer hier. Alles tip top sauber, neu und komfortabel eingerichtet. Auch die Betten sind ziemlich groß. Hier kann man’s aushalten. Frühstück muss man zwar bezahlen, dafür ist das reichliche Abendessen im Preis inbegriffen. Der Ort Gubeikou ist wie ein Museum der Mauer.
Sonntag, 27.07.2014 – Trekking auf der Chinesischen Mauer
Heute werde ich mal ein paar Stunden auf der chinesischen Mauer trekken. Der Abschnitt hier wurde zu Zeiten der Bei Qi Dynastie (550-577) gebaut. Die Ruinen aus dieser Zeit kann man direkt hier vor der Haustüre noch sehen. Die damalige Mauer bestand zumeist aus zusammengeschobener Erde. In der Ming Dynastie (ab 1368) wurde dieser 1200 km langer Abschnitt dann noch 2 mal erneuert. Im Vergleich zur Mauer in Badaling, die wegen der Renovierungen so aussieht wie wenn sie gestern erst erbaut wurde, sieht man hier noch viele zerfallene Mauerreste und Wachtürme. Hier ist es aber viel ruhiger. Man sieht nur wenige Touristen. Habe 3 Liter Wasser eingepackt denn heute ist es unsäglich heiß, bestimmt mehr als 35 Grad. Nach etwa 2 Stunden habe ich ne 5-köpfige, junge chinesische Gruppe eingeholt. Ne weitere Stunde später scheint Schluss zu sein. Hinter einem der Wachtürme ist ein Stacheldraht gespannt. Sieht aus wie ein militärisches Sperrgebiet. Doch die Chinesen wissen wie es weiter geht. Es gibt den Pfad der dran vorbeiführt. Die sind wohl besser vorbereitet als ich. Es stellt sich heraus, dass es sich um einen Betriebsausflug einer Kleinfirma handelt. Die sprechen ein wenig englisch. Der Chef läuft vorne weg und gibt das Tempo vor. Gegen Mittag erreichen wir in einem Seitental, etwas abseits der Mauer ein kleines Restaurant. Der Chef lädt mich zum Mittagessen ein – kann ich natürlich nicht ablehnen. Ich frage sie, wie sie später wieder zurückkommen. Mit dem Auto natürlich, sie werden abgeholt. Ob ich mitfahren kann? Ich glaube sie haben “ja” gesagt. Nach dem Mittagessen streikt die Hälfte der Belegschaft (also 2 Leute). Der eine ist schon die ganze Zeit der Gruppe hinterhergehechelt. Das einzige Mädel nimmt das zum Anlass um ebenfalls die Segel zu streichen. Also laufe ich mit dem Chef und den beiden anderen weiter. Außer uns ist keine Menschenseele hier zu sehen. Die Landschaft ist echt atemberaubend mit der Mauer die sich über die Berghänge zieht. Erst etwa weitere 2 Stunden später erreichen wir den touristischen Teil von Jinshanling. Auch hier haben die Chinesen schon ne Seilbahn rauf gebaut. Der Chef bezahlt soger die Eintrittskarte für diesen 2. Teil der Mauer den wir heute Nachmittag gegangen sind. Als wir unten angekommen sind steigen die drei in einen wartenden BMW ein, sagen Tschüss und fahren los – na toll!!! und wie soll ich jetzt zurückkommen? Weiß nicht mal genau wo ich bin. Aber hier gibt’s ne Touristeninformation, also nix wie da rein. Bis zu meinem Zuhause in Gubeikou sind es 16 km sagt man mir, zurück über die Mauer nur 13. Na das sind mal tolle Aussichten. Taxi keines zu sehen und öffentliche Verkehrsmittel auch nicht. Dann laufe ich halt mal los … . Den Weg hat mir die freundliche Dame auf der Tourie-Info auf nen Zettel geschrieben. Bei jedem vorbeifahrenden Auto halte ich den Daumen raus. Bin schon lange nicht mehr per Anhalter gefahren. Aber diese Möglichkeit schneller vorwärts zu kommen als zu laufen kennen die Chinesen wohl nicht. Im Gegenteil: ich werde jedesmal angehupt wenn ich den Arm raushalte. Fehlt nur noch daß ich angefahren werde. Nach etwa 6 km bremst tatsächlich das bestimmt 47. Fahrzeug. Und die Dame spricht sogar englisch. Ich zeige ihr wo ich hin will. Doch sie wiegelt ab und sagt da fährt sie nicht dran vorbei. Kann nicht sein, sage ich. Das ist die einzige Straße hier, die MUSS da vorbei führen. Sie glaubt mir nicht und fährt davon 🙁 . Also laufe ich weiter … . Fünf Minuten später kommt sie mir doch tatsächlich wieder hupend entgegengefahren und dreht um. Sie hat mit einem Bekannten telefoniert und der hat ihr meine Aussage bestätigt – sie nimmt mich mit. S U P E R ! ! ! Wie sich herausstellt hat sie früher mal für ein deutsches Unternehmen in Peking gearbeitet. Ein “normaler” Chinese hätte mich bestimmt nicht mitgenommen.
Montag, 28.07.2014 – Zurück nach Peking
Heute ist ein total unspäktakulärer Tag. Es steht lediglich die Rückfahrt nach Peking an. Auf den lokalen 25er Bus muß ich diesmal keine anderthalb Stunden warten denn der hält praktischerweise direkt vor der Haustür des Hostels. Und so bin ich gegen Mittag wieder im Chinese Box Courtyard Hostel in Peking. Für den Nachmittag ist Stadtbummel mit Kinobesuch vorgesehen. Habe mir nen chinesischen Film mit englischen Untertiteln rausgesucht. War ganz ok. Wollte mal sehen was die Chinesen so sehen.
Und weil heute Montag ist gibt’s abends im Hostel wie jeden Montag immer Chinesische Nudeln mit Beilagen für umsonst – nette Geste.
Dienstag, 29.07.2014 – Olympischer Park & Sanlitun Shopping
Für heute Vormittag steht der Besuch des Geländes der Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking an. Das Nationalstadion ist wegen seines nestähnlichen Konstruktes besser bekannt als “Vogelnest”. Habe mir das aber nur von Außen angesehen.
Am Nachmittag dann zur Abwechslung mal ein Besuch des großen Klamottenmarktes im Stadtteil Sanlitun. Hier kann man günstig einkaufen unter der Voraussetzung man verhandelt knallhart – ansonsten ist’s auch nicht günstiger als daheim.
Habe immer noch ne Woche Zeit in China bevor der Rückflug ansteht. Und die will ich bestimmt nicht im heißen und stickigen Peking verbringen. Also nix wie raus aus der Stadt und auf’s Land. da bietet sich die Gegend von Wutaishan an. Das ist ein populäres buddhistisches Pilgerziel in den Bergen im Kanton Shanxi. Mit dem Nachtzug kommt man in 6-8 Stunden hin. Los geht’s um 22:17 Uhr mit dem K601 vom Zentralbahnhof. Das Ticket dazu haben mir die Jungs vom Hostel besorgt was mit eine weitere Odyssee am Fahrkartenschalter erspart.
Mittwoch, 30.07.2014 – Wutai Shan & Das Tal der Tempel
Habe in der Nacht nicht besonders gut geschlafen. Grund war die Dame neben mir die den halben Zug zersägt hat. Aber um 8 läuft der K601 dann doch im Ort Shahe Town. Denn die Gegend um Wutaishan liegt in den Bergen. Also nochmals für 25 Yuan nen Local Bus vom Bahnhof zum Touristenort Tai Huai. Kurz vor Erreichen des Wutaishan Nationalparks stoppt der Bus plötzlich vor einer Kurve und etwa die Hälfte der chinesischen Touristen steigt aus. Der Busfahrer öffnet die hintere Klappe und die Leute steigen in den großen Kofferraum des Busses ein. Was soll das denn, denke ich zunächst. Doch als der Bus dann um die Kurve fährt und an der Zahlstelle für den Nationalpark hält wird mir einiges klar. Die geizigen Chinesen wollen die 21 Euro Eintrittsgebühr nicht bezahlen! Warum hat mir das keiner gesagt? Da hätte ich auch noch reingepasst. Aber als Ausländer zahlt man halt brav die Gebühren. Am liebsten hätte ich den Kofferraum abgeschlossen und die Chinesen mal ein paar Stunden da drin rumgammeln lassen. Eine Kurve nach der Zahlstelle wieder Stop denn das lebende Gepäck will ja wieder raus aus dem Gepäckraum.
Wutai Shan bedeutet eigentlich “5-Terassen-Berg” und ist einer von vier heiligen Bergen des Buddhismus. Die 5 Terassen sind eigentlich 5 Bergspitzen auf denen Tempel gebaut wurden. Wutai Shan wurde 2009 in das UNESCO Weltkulturerbe aufgenommen. Das Gebirge hier könnte man doch glatt mit den Alpen verwechseln, wären nicht so viele Chinesen unterwegs. Der Ort Tai Huai liegt in einem Hochtal und ist doch sehr touristisch. Mit der Parkeintrittskarte kann man die Shuttlebusse benutzen die ständig das Tal rauf- und runterfahren und die Touries an den verschiedenen Tempeln absetzen. Denn hier im Tal gibt es viele buddhistische Klöster und Tempel von denen ich mir ein paar heute Nachmittag ansehe.
Der Tourismus hat deshalb hier groß Einzug gehalten, weil man alles mit dem Auto anfahren kann. Denn der Chinese ist von Haus aus faul. Habe das schon in Peking öfters bemerkt. Vor allem in den U-Bahn Stationen. Da steht man immer vor ner großen Menschentraube und wundert sich weil’s nicht weitergeht. Dabei sind die Treppen total leer und die Schlitzaugen warten minutenlang bis sie die Rolltreppe nehmen können, nur weil sie zu faul sind die 20 Treppenstufen zu laufen. Morgen will ich auf eines der 5 Plateau’s rauflaufen. Hoffentlich gibt’s da noch keine Straße. Sonst warten am Gipfel wieder hunderte faule Chinesen.
Donnerstag, 31.07.2014 – Trekkiing zum Südplateau im Wutaishan Gebirge
Rund um Tai Huai gibt es fünf nennenswerte Hochplateaus (praktisch Berggipfel) auf denen Tempel gebaut wurden. Die liegen alle so zwischen 2500 und knapp über 3000 Meter hoch. Am schönsten soll es auf dem Südplateau sein, meint der Boss vom Hostel. Also nehme ich mir das für heute vor und packe genug zu Essen und Trinken ein. Ich soll früh aufbrechen sagt er, denn der Aufstieg dauert fünf Stunden. Ganz glauben kann ich das nicht, denn so hoch sehen die Berge hier dann auch nicht aus. Aber gut, Aufstehen um 6 und um 7 mit dem ersten Shuttlebus das Tal hinunterfahren zum Bayun Tempel. Dort soll der Einstieg sein. Vor mir steht ne etwa 15-köpfige chinesische Wandergruppe. Die sind so ausgerüstet als wollten sie den Mount Everest bezwingen. Fehlt nur noch das Biwakzelt und der Eispickel. Auf der Karte zeige ich denen die chinesischen Schriftzeichen wo ich hin will. Die zeigen die Richtung an und meinen ich könnte mich ihnen anschließen. Aber schon nach 100 Metern sind die mir viel zu langsam (sind halt Chinesen). Also lasse ich die hinter mir. Anfangs geht es steil diverse Treppenkaskaden (bestimmt 2000 Stufen) hoch zum Fomu Cave, einem weiteren, in den Berg gehauenen buddhistischen Tempel. Ne Seilbahn hier rauf ist grade im Bau. Bis hierher kann man noch mit dem Auto fahren, danach hört die Straße auf und es herrscht endlich mal Ruhe. Ein schmaler Pfad führt weiter steil bergauf Richtung Gipfel. Den Weg verfehlen kann man eigentlich nicht. Denn der ist weitestgehend mit Gebetsfahnen umsäumt.
Nach exakt zwei Stunden habe ich den Puji Tempel auf dem Südplateau dann auch schon erreicht – von Wegen 5 Stunden! Fünf chinesische Stunden vielleicht. Jetzt kenne ich auch den Umrechnungsfaktor zwischen chinesischen und deutschen Trekkingentfernungen, der beträgt nämlich 2,5:1 . Zu allem Überdruss führt von der anderen Seite des Berges bereits einen unbefestigte Straße auf das etwa 2500 m hohe Südplateau. Oben warten also schon wieder fliegende Händler und chinesische Touries mit ihren Fotoapparaten. Dachte ich hätte mal nen halben Tag Ruhe vor denen.
Eine Stunden Pause, den tollen Ausblick auf die Berge geniessen, Beine hochlegen und dann gehts wieder denselben Weg runter. Auf halber Strecke kommt mir die Mount Everest Expedition von heute früh entgegen. Die sind schon fast am Ende der Kräfte und tun mir etwas leid. Sie haben deshalb etwas mehr Gepäck dabei als ich weil sie ne Mehrtageswanderung über die diversen Plateaus hier machen. Übernachten kann man überall in den Tempeln. Wäre sicherlich ne Überlegung wert gewesen aber mit meinen nicht vorhandenen Chinesischkenntnissen und dem groben Übersichtsplan wollte ich das nicht alleine durchführen. Stattdessen Abstieg in anderthalb Stunden.
Meine Beine könnten heute noch etwas Beanspruchung vertragen. Deshalb geht’s am jetzt “freien” Nachmittag noch rauf auf den Dailuo Tempel. Der liegt auf einem kleineren Berg. Da rauf kommt man entweder mit dem Sessellift (ich doch nicht – Chinesen schon) oder aber über gut 2000 weitere, steile Treppenstufen – das kostet nochmal Körner. Vereinzelt laufen doch Einheimische hier rauf, vor allem buddhistische Pilger. Die machen sich die Mühe die Treppen auf allen Vieren gestreckter längs “hochzukrabbeln” um ihrem Buddha richtig Ehre zu erweisen.
Freitag, 01.08.2014 – Hängendes Kloster
Mein letztes größeres Ziel vor dem Heimflug ist Datong. Das liegt westlich von Peking, also nordwestlich von Wutaishan. Das Ticket dorthin habe ich noch gestern Abend am hiesigen Busbahnhof gekauft. Abfahrt ist um 7:30 Uhr. Muss vorher aber nochmal dringend auf die Toilette. Das ist in den öffentlichen (Bus-)Bahnhöfen aber auch ne öffentliche Sache. Denn Kabinen gibt’s nicht. Lediglich Buchten mit Plumpsklos die vorne offen sind. Da lässt man halt die Hose runter und reiht sich an einer freien Stelle ein. Wenigstens sind Männlein und Waiblein getrennt.
Die Fahrt nach Datong dauert vier Stunden. Nach drei Stunden passiert der Bus den Ort Muta. Da lasse ich mich absetzen. Von hier ist es nicht mehr weit zum Hängenden Kloster in Hunyuan. Da fahren Busse hin. Hab auch gleich einen erwischt.
Das heißt deshalb “Hängendes Kloster” weil es mitten in eine Felswand reingebaut wurde. Es entstand im 6. Jahrhundert während der Wei-Dynastie. Die 40 kleinen Hallen des Klosters ruhen auf Holzträgern die aus der Felswand herausragen und nach unten abgestützt wurden. Beim Begehen des etwa 50 Meter über dem Boden liegenden Klosters ist mir nicht ganz wohl. Nicht weil ich nicht schwindelfrei wäre. Aber die Unmengen von Touries die durch die schmalen Gänge und Hallen an der Felswand geschleust werden – ob das die Holzkonstruktion wohl auf Dauer trägt? Aber gut, nach 20 Minuten bin auch ich durchgeschoben worden und wieder heil unten angekommen. Auch gut, daß ich erst am übernächsten Tag erfahren habe, daß vor geraumer Zeit mal ein Teil des Klosters eingestürzt ist weil zu viele Personen gleichzeitig durchgeschleust wurden.
Von Hunyuan bis zum Tagesendziel Datong sind es noch zwei Stunden mit dem Bus. Datong ist mit 1,1 Millionen Einwohnern im chinesischen Vergleich eher eine Kleinstadt. Sie hat auch einen Altstadtkern der grade saniert wird, gibt aber sonst nicht viel her.
Samstag, 02.08.2014 – Yungang Grotten
Der Grund warum ich hier in Datong gelandet bin ist nicht die “langweilige” Stadt sondern die Yungang Grotten. Das sind 252 größere und kleiner Grotten in denen ab dem 5. Jahrhundert etwa 51000 Buddha Figuren in Stein gehauen wurden. Die kleinsten sind grade mal ein paar Zentimeter hoch, der größte misst über 17 Meter. Gefertigt durch die damals türkisch sprachige Bevölkerung der Tuoba mit indischem, persischen und sogar griechischem Einfluss. Soviel zur Geschichte. Ist alles auch supertoll und schön anzuschauen. Nur in den beiden mit Abstand schönsten Grotten herrscht striktes Fotografierverbot. Und das obwohl man 15 Euro Eintritt bezahlen muss. Eigentlich ne Unverschämtheit. Aber die wollen halt ihre Farbbildbände auch noch teuer verkaufen. Da hilft nur eins: Versteckte Kamera.
Man trifft hier echt die unterschiedlichsten Leute. Heute Abend z.B. bin ich mit zwei jungen Französinnen und einem Schweizer (alle vom Hostel) unterwegs. Die beiden Mädels aus Paris machen ein Halbjahrespraktikum in der französischen Botschaft in Peking und haben überhaupt zum ersten Mal richtig Ausgang. Der Schweizer ist noch krasser. Der spricht 6 Sprachen, darunter chinesisch, und war 4 Wochen lang in einem buddhistischen Kloster in den Bergen von Wutaishan (wo ich grade herkomme). Die letzte der 4 Wochen hat er nur meditiert und durfte kein Wort reden – wem’s gefällt! Jedenfalls sitzen wir zum Essen in einem typischen chinesischen Lokal und es gibt “Dumplings”. Das sind in Teig gehüllte, etwa eigroße Klöße. Die können z.B. aus Rind-, Schweine- oder Lammfleisch sein oder auch vegetarisch. Eine Spezialität halt die man auch überall auf der Straße findet. Zu wenig Essen sollte man nicht bestellen da man sonst nicht satt wird. Umgekehrt aber auch nicht viel zu viel. Denn wenn sehr viel übrig bleibt kann es sein daß man mehr für’s Essen bezahlen muss. Dann halt lieber den Magen verrenken.
Sonntag, 03.08.2014 – Jimingyi
Heute heißt es wieder zurückfahren nach Peking. Auf halber Strecke dorthin liegt der kleine Ort Jimingyi. Dort zu finden ist Chinas älteste, noch intakte Poststation. Gebaut in der Yuan Dynastie unter Kublai Khan um die Verbndung zu den Außenbezirken des Reiches sicherzustellen. Diesen Ort will ich mir noch anschauen. David, der Boss vom “Flight by Knight Hostel” reserviert mir einen Platz in einem Minibus. Abfahrt 8 Uhr. Doch die sind um 9 immer noch nicht da. Also lasse ich die Reservierung streichen und nehme das selbst in die Hand: Mit dem Taxi zum Busbahnhof und ne Fahrkarte nach Peking kaufen das funktioniert noch. Schwieriger wird es den Chinesen beizubringen dass sie mich an der Mautstelle vor Jimingyi auf der Autobahn rauslassen sollen. Aber mit dem Übersetzungs-App auf dem Smartphone klappt das dann irgendwann auch noch. Von hier aus muss ich noch 2 km zu Fuss laufen. Wie ich später die 140 km nach Peking kommen soll weiß ich auch (noch) nicht. Aber in Jimingyi bin ich schon mal. Umgeben ist der Ort von einer etwa 8 m hohen alten Stadtmauer die grade von den Chinesen “überrestauriert” wird, so wie alles alte was erhalten werden soll. Überrestauriert heißt soviel daß es ursprünglich alt, aber original aussah und nach der Restauration einem Disneyland gleicht. Bestes Beispiel ist die Mauer in Badaling. In der Mitte aller vier Umgebungsmauern gibt es ein großes Einlaßtor. Da will ich grade schnurstraks reinlaufen, werde aber zunächst mit chinesischen Rufen aufgehalten. Chinesisch verstehe ich nicht, also laufe ich weiter. Dann ruft mir ein Chinese in gebrochenen englisch hinterher, daß ich ein “Ticket” kaufen muss. Das verstehe ich schon eher und die knapp 5 Euro reißen kein allzu großes Loch in die Reisekasse. Und weil der Chinese englisch spricht frage ich den gleich ob es hier einen Bus nach Peking gibt. “Weiß er nicht”, er ist mit Frau und Kind aus Peking mit dem Auto hierhergefahren. “Ob er mich vielleicht später mitnehmen kann?”. Nach kurzer Absprache mit der Frau kommt das “JA”. Juhu! – eine Sorge weniger heute. Damit sind gleich zwei Fliegen mit einer Kappe erschlagen. Denn weil der Ort hier kaum touristisch bekannt ist gibt es nur einen Prospekt in chinesisch. Und den kann mir der Pekinger einigermaßen übersetzen. Man fühlt sich hier um 100 Jahre zeitversetzt (ausgenommen der wenigen Autos). Die Häuser sind alle ziemlich alt und teilweise unbewohnt und eingestürzt. Möcht nicht wissen wie das in ein paar Jahren aussieht wenn alles neu gemacht wurde.
Und weil die Autobahn mal wieder überlastet ist fahren wir später übers Land zurück in die Hauptstadt. Auch die Ehefrau spricht ein wenig englisch, beherrscht ihr Übersetzungs-App Chinesisch->Englisch jedoch perfekt. So kommen doch noch interessante Gespräche zustande. Und weil ich schon für umsonst mit nach Peking fahren darf werde ich von der Familie sogar noch zum Essen in ein Restaurant eingeladen. Widerspruch ist zwecklos! Es gibt leckere Peking-Ente. Und so nimmt der schlecht angefangene Tag doch noch ein gutes Ende.
Montag, 04.08.2014 – Peking: Silk Market
Untergekommen bin ich diesmal hier im Partnerhostel des “Flight by Knight” von Datong. Das heißt hier genauso, gehört es ja demselben Besitzer. Zu finden ist es um die Ecke der “Dongsi” U-Bahn Station. Heute ist Nichtstun angesagt. Es regnet fast den ganzen Tag. Und das ist auch gut so. Gestern Mitternacht hat es noch weit über 30 Grad gehabt bei sehr hoher Luftfeuchtigkeit. Am Nachmittag schaue ich mir dann noch den Silk Market an. Da gibt’s eigentlich alles zu kaufen. Das gute ist: Man kommt mit der U-Bahn hin und wird nicht naß.
Dienstag, 05.08.2014 – Tianjing
Vorletzter Tag – nur in Peking rumhängen wo ich schon (fast) alles gesehen habe will ich auch nicht. Also fahre ich mal in die 120 km entfernte Stadt Tianjing. die soll ganz schön sein, und mit nur 10 Millionen Einwohnern auch nur halb so groß. Man kommt superschnell dorthin mit dem Expresszug. Der schafft die 120 Kilometer in exakt 30 Minuten, fährt halt auch fast 300 Sachen. Und der Preis ist mit etwa 6 Euro fast geschenkt. Lange warten muss man auch nicht denn der fährt praktisch alle halbe Stunde.
Und wenn ich schon mal da bin, schaue ich auch mal bei den Kollegen der Sino-German-Bausparkasse vorbei. Das ist praktisch unsere Filiale in China. Hat mich schon immer mal interessiert wo das ist. Musste allerdings ne Zeit lang suchen und etliche Leute nach dem Weg fragen. Die haben mich auch gleich zum Essen eingeladen und mir die Stadt gezeigt – toll!
Mittwoch, 06.08.2014 – Letzter Tag in Peking
Morgen früh 02:30 Uhr geht mein Flieger in die Heimat. Heute ist mein letzter Tag hier in Peking. Und weil endlich mal schönes Wetter ist schaue ich mir am Vormittag noch den Clock Tower und den Bell Tower an. Leider nur von Außen weil die wegen Renovierungsarbeiten geschlossen sind. Mein Lieblingsort in Peking ist mit Abstand der Jingshan Tempel. Nicht weil der besonders toll anzusehen ist, sondern zum Einen ist es ein Park in dem Ruhe und keine Hektik herrscht und zum Anderen hat man von der Anhöhe einen Super-Tollen Blick auf die Verbotene Stadt. Und genau die ist mein letztes Ziel heute. Im Gegensatz zum ersten Besuch scheint heute die Sonne, also gehe ich am Spätnachmittag nochmal rein, dann sind nicht mehr ganz so viele Chinesen hier unterwegs.
Donnerstag, 07.08.2014 – Rückflug
Zum Flughafen kommt man in Peking am günstigsten mit dem Schnellzug. Mein Rückflug über Abu Dhabi und Rom nach Frankfurt verläuft problemlos.
Bemerkt habe ich erstmals dass ich wieder in Deutschland bin an 2 Dingen:
1.) Das Gepäck kommt nicht an.
2.) Die ICE-Züge haben derart Verspätung dass man den Anschlusszug verpasst. Die Transsib hatte NIE Verspätung.
WELCOME BACK TO GERMANY !!!